Bayerische Staatsoper ist Opernhaus des Jahres
München/Berlin (dpa) - Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Personalquerelen in der Bayerischen Staatsoper für die Kritiker der Zeitschrift „Opernwelt“ das Ärgernis des Jahres.
Damals, im Jahr 2010, warf Dirigent Kent Nagano entnervt das Handtuch, nachdem Opernintendant Nikolaus Bachler Bayerns Kunstministerium vor die Wahl gestellt hatte: Er oder ich. Die Wahl fiel auf Bachler und der Weg war frei für dessen Wunschkandidaten als Generalmusikdirektor: den Dirigenten Kirill Petrenko.
Bei allem Ärger: Rückblickend war diese unruhestiftende Entscheidung wohl gar nicht so falsch, legte das einstige Ärgernis des Jahres doch den Grundstein dafür, dass die Münchner Oper in diesem Jahr von den Kritikern der Zeitschrift zum Opernhaus des Jahres gekürt wurde - mit 8 der 50 Stimmen und zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des Opernhauses.
Denn Petrenko ist es, dem die Staatsoper den Titel in erster Linie zu verdanken hat. Darum kürten die Kritiker ihn auch gleich zum Dirigenten des Jahres und sein Staatsorchester zum Orchester des Jahres. „In meiner Arbeit hat Genugtuung oder so etwas keinen Platz“, sagt Bachler im Interview der Nachrichtenagentur dpa auf die Frage, ob er sich freut, am Ende Recht behalten zu haben. „Das viel Wichtigere ist, was jetzt hier stattfindet“, sagt er. Und: „Es ist fast eine logische Folge, dass man Gehör findet, wenn man etwas zu sagen hat.“
Was an der Oper stattfindet, ist zum Beispiel die Neuproduktion „Die Soldaten“, bei der Petrenko am Pult steht und die zur Produktion des Jahres gekürt wurde. „Ich und alle, die hier arbeiten, sind der Meinung, dass das Theater eine gesellschaftliche Funktion hat“, sagt Intendant Bachler. „Wir befragen die Werke darauf, was sie den Menschen heute sagen. Jeder Abend hat eine Botschaft zu haben, und die ist zutiefst dem Menschen und der Humanität verpflichtet.“
Die Kritiker heben vor allem „das exzellente musikalische Niveau, die Breite und Qualität des Spielplans“ sowie den Einsatz für „markante szenische Handschriften“ hervor. Was sie damit meinen, zeigt vor allem jene „Soldaten“-Inszenierung von Regisseur Andreas Kriegenburg. Die Neuproduktion von Bernd Alois Zimmermanns Oper ist dank der spektakulären Inszenierung von Andreas Kriegenburg und Petrenkos gewaltiger Präzision - oder präziser Gewalt - schon jetzt nahezu legendär.
Und noch eine fünfte Auszeichnung geht in diesem Jahr nach München: Beste Nachwuchskünstlerin ist Hanna-Elisabeth Müller, seit 2012 Mitglied des Ensembles. Auch die Auszeichnung für den Sänger des Jahres, Michael Volle, ist zu einem kleinen Teil eine für München. Schließlich überzeugte er in München in der Titelpartie von Rossinis „Guillaume Tell“.
Bachler betont, sein Haus verstehe sich allen Klischees über das Münchner Opernpublikum zum Trotz nicht als Hort der Elite. „Wir bewegen uns nicht nur in einem bildungsbürgerlichen Raum“, sagt er. „Ich glaube, dass wir ein öffentlicher Ort des Diskurses sind. Das Zentrum sind die Oper und die Musik, aber es geht weit darüber hinaus.“ Kooperationen mit Künstlern wie Matthew Barney seien dafür ein gutes Beispiel.
Petrenko, der Interviews und Fototermine seit Jahren kategorisch ablehnt, sagte vor seinem Amtsantritt in München: „Wenn man von Anfang an zu Teamarbeit bereit ist, erübrigen sich viele Widersprüche.“