„Rheingold. Eine andere Geschichte“ feiert in Düsseldorf Open-Air-Premiere Rock und Pop treffen auf Wagner

DÜSSELDORF · Es wird wieder gespielt. Nach sieben Monaten coronabedingter Zwangspause. Als erstes großes Theater in NRW startete jetzt das Düsseldorfer Schauspielhaus. Die Inzidenzen gehen zurück, aber zunächst werden Vorstellungen nur Open-Air angeboten: auf dem Gustaf-Gründgens-Platz, vor dem frisch sanierten Schauspielhaus.

 Startete als erstes Theater in NRW nach der coronabedingten Pause: Das Düsseldorfer Schauspielhaus.

Startete als erstes Theater in NRW nach der coronabedingten Pause: Das Düsseldorfer Schauspielhaus.

Foto: Thomas Rabsch/Düsseldorfer Schauspielhaus/Thomas Rabsch

„Das Rheingold. Eine andere Geschichte“ feierte Premiere: Haus- und Hof-Regisseur Roger Vontobel kredenzte zur Wiedereröffnung eine verwegene, streckenweise lautstarke Mischung aus Rock-Musical, Fantasy und nordischer Sage. Mit starken, manchmal auch plakativen Tableaus, die nur wenig Raum ließen für psychologischen Feinschliff. Mit röhrenden Rocksongs und seichten Popnummern, in denen einige Wagner-Zitate zu erkennen waren.

Das alles unter freiem Himmel? Bis zum letzten Augenblick war unklar, ob überhaupt eine Premiere über die Asphaltbühne gehen konnte. Immer wieder hatte es den ganzen Tag über geschüttet. Doch letztlich verlief der dreistündige Abend trocken, nur in den ersten Minuten fielen noch vereinzelt Tropfen auf die Köpfe der rund 200 Zuschauer. Die meisten hatten sich, angesichts von zehn Grad Außentemperatur, mit winterlichen Mänteln und Decken ausgestattet. Weiterer Standard: FFP2-Masken und ein negativer Corona-Test.

Die Textvorlage: eine Weiterschreibung des Vorabends von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ – voll von zeitloser Kritik an Kapitalismus und Geldgier. Die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, bekannt durch die „Nibelungen-Festspiele“ in Worms, legten – nicht überraschend – mit „Rheingold“ ein leicht verdauliches, auch jugendtaugliches Theater-Spektakel vor – mit Zwergen, Riesen, Göttern und auf Roller-Skates gleitenden Goldjungs und Mädchen.

Es geht Zaimoglu/Senkel weniger um Mythologie. Der böse Zwerg Alberich hat die Nase voll, stiehlt den Rheintöchtern das Gold, lässt seinen Bruder Mime die berühmte Gold-Tarnkappe schmieden und mutiert zum grausigen Diktator in Nibelheim, der seine Mitmenschen noch mehr knechtet als die Götter. Zupackende Schwarz-Weiß-Malerei, die Vontobels kraftbetonte Regie noch verstärkt.

So müssen säuselnde Rheintöchter, eine Girlie-Band in glitzernden Silberrobe, das Rheingold bewachen. Die Rheintöchter kichern, machen sich lustig über den ölbeschmierten, kriechenden Alberich. Doch Alberich (Charakterstudie mit Format: Florian Lange) überlistet sie, will mit dem Gold nur eins sein – die Welt der Götter zerstören.

Die Götter steigen heraus aus einem Cockpit. Es gehört zu der raumgreifenden Installation „Third Space“ mit Teilen eines auseinandermontierten Militär-Flugzeugs. In diesem spektakulären Ambiente zelebriert sich eine hypertrophe Jeunesse dorée, die Erben-Generation, die hämisch spottet über die schäbigen Arbeiter-Alben. Sie beißen ständig in knackige Äpfel – um ewig jung zu bleiben. Ewiger Jugend frönen ebenso die aufgetakelten Eltern Wotan und Fricka (Florian Claudius Steffens und Judith Bohle), die in einem Wohnmobil vorfahren. Sie weisen voller Stolz auf ihre neue Burg, eine „Zwingfeste“ und zeigen auf die weiße, geschwungene Fassade des Theaterbaus. Errichtet wurde die „Burg“ von den Riesen Fafner und Fasolt (Thomas Wittmann, Andreas Grothgar). Doch den versprochenen Lohn, Wotans Tochter Freia, verweigert die Götter-Dynastie.

Ironie und Sarkasmus, die in Vontobels Regie ebenso leicht zu deuten sind wie die geschnitzten Charaktere. Ausnahme, wie nicht anders zu erwarten: André Kaczmarczyk als allwissender Loge, der heimlich alle Fäden in der Hand hält. Er ist hier weder Gott noch Mensch, weder Mann noch Frau – ein undefinierbares Zwischenwesen, das zwischen Alben, Riesen und Göttern vermittelt. Kaczmarczyks Auftritte münden stets – trotz Diven-Posen (rote Kontaktlinsen und lackierte Fingernägel) – in einer Analyse der fehlbaren Götter und Menschen: Er gibt Ratschläge, vermutlich um das Schlimmste zu verhindern.

Termine: 29., 30. Mai, 3., 4., 5., 6. Juni. Dauer: drei Stunden. Restkarten verfügbar. Telefon 0211/ 39 66 11