Kritik an Kulturpolitik Castorf will 6-Stunden-Inszenierung am BE zeigen

Berlin (dpa) - Nach Ende seiner 25-jährigen Intendanz an der Berliner Volksbühne inszeniert Frank Castorf (66) erstmals wieder an einem hauptstädtischen Theater: Am 1. Dezember wird seine Version von Victor Hugos Roman „Les Misérables“ am Berliner Ensemble (BE) unter seinem Originaltitel erstaufgeführt.

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Der Theaterabend werde „etwa sechseinhalb Stunden“ dauern, kündigte Castorf an, legte sich zur Dauer aber noch nicht ganz konkret fest. „Länge gehört zur Kunst dazu. Das hat meine Sympathie.“

Das Projekt „Les Misérables“ sei ihm von Oliver Reese, dem neuen Intendanten des Theaters, angetragen worden. An dem 1862 erschienenen, etwa 1700 Seiten umfassenden Roman interessiere ihn die „große Bildkraft Hugos“, sagte Castorf. Er habe darin eine enorme surrealistische Komponente entdeckt. Zudem fasziniere ihn „die gesellschaftskritische Dimension“ des ausschweifenden Sittengemäldes.

Castorf kündigte an, er wolle eine mit vielen Assoziationen von der Arbeit Bertolt Brechts, über Worte des Dichters Heiner Müller bis hin zur politischen Lage im heutigen Kuba gespickte Inszenierung erarbeiten. Es werde auch, wie seit Jahren bei ihm üblich, den Einsatz von Videotechnik geben. Er habe vor, „nicht oberflächlich wie Hollywood auf die Geschichte blicken“, ergänzte der Regisseur.

Um eine Einschätzung der gegenwärtigen Berliner Kulturpolitik gebeten, reagierte Frank Castorf mit bitterem Spott: „Die Frage ist, ob die Politik kompetent ist. Sie ist es nicht.“ Direkt auf die Volksbühne Berlin unter neuer Intendanz angesprochen, zitierte er den menschenverachtenden Spruch eines US-Militärs aus dem 19. Jahrhundert, der gesagt haben soll: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Castorf meinte mit düsterem Witz: „Nur eine tote Volksbühne ist eine gute Volksbühne — gut für die Schaubühne, das BE und die anderen Berliner Theater.“ „Sie sehen hier einen alten verbitterten Mann“, fügte er selbstironisch hinzu.