Cirque du Soleil: Kleine Wunder im großen Spektakel
Mit der grandiosen Show „Kooza“ knüpft der Cirque du Soleil an klassische Zirkustraditionen an. Ab 6. November ist er in Düsseldorf.
Düsseldorf. Der Moment dauert nur einen Lidschlag lang, und doch ändert er den Blick komplett. Zu Beginn erscheint auf der Bühne ein Männlein im schwarzweiß-gestreiften Kostüm — samt Zipfelmütze. Mit aufgerissenen Augen blickt es in die Welt, die Nase rot wie bei einem Clown. Sie nennen ihn den Unschuldigen, der keine Ahnung hat von Magie, Artistik und dem fremden Universum, das sich ihm mit überbordendem Spektakel, mit viel Getöse und Geglitzer präsentiert.
Der kleine, wundersame Moment spielt sich vor den Augen der Zuschauer ab, ohne dass sie ihn begreifen können: Das Männlein steht plötzlich in blauweißorangenen Streifen da, in den Farben seines mephistophelischen Verführers aus der Zirkuswelt. Samt Zipfelmütze. Ein Trick, schon klar.
Und ein kleines Wunder, das sich dem Verstand des Betrachters entzieht und ihn einstimmt, sich einzulassen auf diese perfekt inszenierte und artistisch beeindruckende Show namens „Kooza“, was ein Sanskrit-Wort ist und so viel heißen soll wie „Zirkus in der Box“. Energiegeladen wie ein Kastenteufel präsentiert sich „Kooza“ dann auch, jedoch ohne, dass jemand um sein Seelenheil fürchten müsste.
Es ist ein überzeugendes Detail, dass der Cirque du Soleil trotz seines weltumspannenden und durchkommerzialisierten Auftritts Raum für solche Momente lässt. Sie öffnen Augen für die Leistung der Artisten, die sich vor den 2000 Zuschauern im Zelt auf klassische Zirkusart verrenken und lassen einen wirklich lachen über die Witze der Clowns, die mit scheinbar anarchistischem Spaß durch die Reihen stolpern.
Damit alles so perfekt klappt, trainieren Künstler wie der 24-jährige Cedric aus Kanada jeden Tag. Mal spielt er zweimal täglich den Unschuldigen, mal zeigt er seine Kunst auf dem Trampolin. Zurzeit, während des Gastspiels in Warschau, erarbeitet er sich Tricks mit einem großen Aluminiumrad. „Ich habe mit zehn Jahren Alégria im Fernsehen gesehen.“ Magisch sei dieser Moment gewesen, ein Traum, für den er fortan trainiert habe. Er liebe es, überall auf der Welt aufzutreten, das Leben beim Cirque sei seine Familie. Die Geschichten der Artisten klingen wie aufgesagt. Andererseits hat der Konzern mit den 2000 Beschäftigten und einer riesigen Zentrale in Montreal vieles zu bieten, was in der Zirkuswelt wohl sonst Illusion bleibt.
Um die Show frisch zu halten, werden Besetzungen und Abläufe geändert. Wer möchte, kann in andere Produktionen einsteigen. Es gibt ein Team von Physiotherapeuten und Fitnessgeräte vor Ort. Niemand schläft im Wohnwagen, die Artisten werden in Appartements untergebracht. Nur so stimme die Leistung Tag für Tag, Woche für Woche und Stadt für Stadt, heißt es von der Künstlerischen Leiterin. Der Rhythmus bleibt immer gleich, egal bei welcher Show: Mit 60 Lastwagen wird die Zeltstadt durch die Länder und über die Kontinente gekarrt. Aufbau, sechs Wochen Gastspiel, Abbau.
Das nächste große Ding im Cirque du Soleil soll 2016 eine 3 D-Show in Kooperation mit „Avatar“-Kinoregisseur James Cameron sein. Bei all den Produktionen mit ihren klangvollen Namen verliert man schnell schon mal den Überblick. Wobei das beim Zuschauen nur noch im Hintergrund spielt, wenn sich etwa ein Einrad-Duo im erotischen Pas-de-deux umeinanderschlingt, oder sich die Akrobaten auf einer Wippe mehr als neun Meter in die Höhe schleudern lassen. Was dann zählt, ist der Moment.