Premiere Neue Ära am Berliner Ensemble: „Caligula“ als Horrorclown
Berlin (dpa) - Der gelbe Teppich war ausgerollt - als farbliches Ausrufezeichen zum Start in eine neue Ära. Und die Spannung unter den Premierengästen am neuen Berliner Ensemble war tatsächlich riesig am Donnerstagabend.
Nach dem Weggang von Claus Peymann (80) gab der neue, vom Schauspiel Frankfurt kommende Intendant Oliver Reese (53) seinen Einstand mit Camus' „Caligula“ - inszeniert von Antú Romero Nunes und mit der großen Tragödin Constanze Becker in der Titelrolle.
Es wurde ein ebenso philosophischer wie politischer Abend. Tragisch, komisch und mit viel spritzendem Theaterblut. Das Premierenpublikum feierte das mit beeindruckender Spielleidenschaft und höchst präziser Sprachkunst auftretende Ensemble mit langem Applaus.
Constanze Becker (39) ist ein faszinierender, abstoßender, gefährlich flirrender Caligula. Ihr Tyrann ist todunglücklich. Ein tiefer Weltschmerz plagt ihn. Alles ist relativ, auch das Leben selbst, wie er meint. Sein einziger Wunsch ist es, den Mond zu besitzen. Unerreichbar. Befriedigung findet der römische Dikator am Ende allein noch im Morden und Foltern.
Caligula ist Anführer einer gruseligen Truppe von Clowns und Harlekinen - von Kostümbildnerin Victoria Behr zu erbarmungswürdigen Fratzenschneidern herausgeputzt. Als oberster Horror-Clown hat der glatzköpfige Caligula jedes Maß, jeden moralischen und ethischen Anspruch verloren. Allein die Macht zählt.
Warum wird ein Mensch zum Diktator? Diese Frage wirft die Camus-Interpretation des 1983 in Deutschland als Sohn einer Chilenin und eines Portugiesen geborenen Regisseurs Antú Romero Nunes auf. Aber vor allem fragt die Inszenierung auch: Warum hält niemand so einen Menschen auf?
„Es wird immer jemanden geben, der glaubt, die Welt beherrschen zu können. Natürlich fallen einem dazu aktuelle Beispiele ein“, so Constanze Becker im Berliner „Tagesspiegel“. „Trotzdem vermeiden wir direkte Anspielungen, mit bestimmten Frisuren zum Beispiel. Die Parallelen sind sowieso offensichtlich.“ Das Stück sei kein Psychogramm eines Gewaltherrschers. „Es geht um einen philosophischen Ansatz, der in der Praxis dilettantische Nachahmer findet.“
Die „Caligula“-Inszenierung war nur die erste von insgesamt drei Eröffnungspremieren am neuen Berliner Ensemble. An diesem Freitag stand das düstere Beziehungsdrama „Nichts von mir“ des Norwegers Arne Lygre auf dem Programm. In dem von der Slowenin Mateja Koleznik inszenierten Stück spielen unter anderem Stars wie Corinna Kirchoff, Judith Engel und Anne Ratte-Polle.
Am Samstag bringt Michael Thalheimer Brechts Stück „Der kaukasische Kreidekreis“ auf die Bühne. In der Rolle der Grusche ist die preisgekrönte österreichische Schauspielerin Stefanie Reinsperger zu sehen. Ein vielversprechender Auftakt am neuerfundenen Berliner Ensemble.