Tänzerin Jin Xing: Frauen anders im Blick
Interview: Begegnung mit der chinesischen Tanz-Diva Jin Xing, die einmal ein Mann war. Mit „China Project“ gastiert sie in Düsseldorf.
Düsseldorf. Unnahbare Diva? Die attraktive Asiatin, die in einer Hotellounge an ihrem Cappuccino nippt, wirkt freundlich und aufgeräumt. Nur die Professionalität, mit der sie alle Fragen beantwortet, verraten die Künstlerpersönlichkeit. Jin Xing ist eine weltberühmte Primaballerina mit einzigartiger Biografie: Geboren als Junge, brachte sie es zum Oberst der Volksarmee und zum besten Tänzer Chinas. Dann unterzog "Der goldene Stern" sich einer Geschlechtsumwandlung. Heute ist er gefeierte Tänzerpersönlichkeit, Choreografin und Chansonette. Mit der deutschen Erstaufführung der Gender-Performance "Lovely Liquid Lounge: The China Project", choreografiert von dem Österreicher Chris Haring, eröffnet das Tanzhaus NRW die Spielzeit.
JinXing (erschrocken): Nein! Ich bin zwar mit einem Deutschen verheiratet, aber er spricht sehr gut Englisch. Auch mit unseren Kindern sprechen wir Englisch.
Xing: Mir ging es nicht um Öffentlichkeit. In China haben mich viele Leute angesprochen. Ich muss mich nicht verstecken, ich kann offen damit umgehen. Da es mich interessiert, wie die Gesellschaft eine Frau betrachtet, verbinde ich auf der Bühne meine Beobachtungen mit meiner persönlichen Erfahrung.
Xing: Ja, immer noch.
Ja, so lange ich klassisches Ballett mache. Von zeitgenössischer Kunst versteht die Partei nichts, und sie unterstützt sie auch nicht. Für meine moderne Compagnie, die ich vor zehn Jahren in Shanghai gründete, habe ich keinen Penny bekommen.
Xing: Es hat sich sehr viel verändert. Ich habe da eine sehr differenzierte Ansicht. Bevor ich nach Amerika ging, war mein Leben durchgeplant. Ich hatte nie eine Wahl. In den USA lernte ich, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Ich entwickelte meine eigene berufliche und private Existenz. Trotzdem liegen meine kulturellen Wurzeln in China. Für die junge Generation bin ich eine Identifikationsfigur.
Xing: Ja, die Zensur ist sehr streng. In der Kunst hängt es vom Thema ab. Minderheiten und Tibet sind gefährlich. Mir geht es mehr um die sich rasant verändernde Gesellschaft und die Rollen der Geschlechter darin.
Xing: Nein, das ist ein zu großes Thema für mich. Als Mann habe ich erlebt, wie die Gesellschaft auf Frauen blickt, und als Frau spüre ich es jetzt selbst. Als Mensch fühle ich mich sehr privilegiert, weil ich beide Welten kenne.
Xing: Ich bin ich. Ich war ein Mann und ein Militär. Heute bin ich Mutter und Ehefrau, aber meine Stimme ist diesselbe, und mein Charakter hat sich nicht verändert. Ich nehme keine Hormone, weil sie meine Muskulatur, meine Haut und meine Stimmungen beeinflussen würden. Im "China Project" bin ich Erzählerin, Salondame, Freund, Kommandant. Es gibt verschiedene Ebenen, aus denen jeder Zuschauer sein eigenes China-Puzzle zusammensetzen kann.