Theaterregisseur Thomas Langhoff gestorben
Berlin (dpa) - Am Tag seines Todes spielte das Berliner Ensemble seine Inszenierung von Tschechows „Der Kirschgarten“. Ein Stück aus dem großen Klassiker-Repertoire von Thomas Langhoff. Am Samstag starb der Meister der Klassiker im Alter von 73 Jahren in Berlin.
Und die von Claus Peymann geleitete Bühne zitierte in ihrer Würdigung diesen Satz aus dem letzten Akt des Tschechow-Stücks: „Mach's gut, mein altes Leben. Sei gegrüßt, mein neues Leben.“
Langhoffs Metier waren die großen Klassiker. Wer eine seiner Theaterinszenierungen besuchte, der konnte stets sicher sein, das gezeigte Werk auch wiederzuerkennen. Anders als viele seiner Kollegen näherte sich Langhoff den Werken alter Meister nämlich nicht mit dem Regie-Brecheisen, sondern einfühlsam und respektvoll.
Statt mit unbedingtem Willen zur Neuinterpretation und gnadenloser Dekonstruktion begegnete Langhoff den Texten von Shakespeare über Strindberg bis Thomas Bernhard mit feingeistigem Intellekt. Dabei ließ sich Langhoff ganz ein auf die Fähigkeiten und Eigenheiten seiner Schauspieler. Kritiker nannten Langhoffs behutsamen Umgang mit den Theaterstücken oft altmodisch. Das Publikum aber mochte seine Inszenierungen, die die alten Werke für die Gegenwart neu erzählten.
Der 1938 im Exil seiner Eltern in Zürch geborene Theatermacher stammte aus einer der letzten großen Theaterfamilien Deutschlands. Bereits sein Vater Wolfgang, in der DDR eine künstlerische und moralische Autorität, war in den Jahren 1946 bis 1963 Direktor des Deutschen Theaters. Den in Paris lebenden und arbeitenden Bruder Matthias Langhoff zog es ebenso zum Theater wie dessen Tochter Anna und Thomas Langhoffs Söhne Tobias und Lukas.
Dem Erbe seines Vater blieb Langhoff bis zuletzt verpflichtet: Theater soll menschliche Werte vermitteln. „Kunst kann gar nicht existieren, wenn sie sich - und uns - nicht ab und zu sehr klar macht, dass es Unrecht auf der Welt gibt“, sagte er in seiner Biografie „Spielzeit Lebenszeit“. „Aber wir bleiben auch als Mahner doch zuvörderst Spieler, vergessen wir das bitte nie.“ Dass das Leben auch ein Spiel ist, zeigte sich in Langhoffs Leidenschaft für den Fußball: Eine Theaterpremiere wollte er auf keinen Fall auf einen Tag legen, an dem ein wichtiges Fußballspiel lief.
Als schmerzlicher, aber wirkungsvoller Befreiungsschlag konnte Langhoffs unfreiwilliger Abgang als Intendant des Deutschen Theaters Berlin (DT) im Jahr 2001 gelten. Langhoff war tief getroffen, als der damalige Berliner CDU-Kultursenator Peter Radunski ihm seinen Vertrag nicht verlängerte. Nach zehn Jahren Intendanz musste er gehen. Das traditionsreiche, aber verschuldete Deutsche Theater im Ostteil der Hauptstadt müsse grundlegend erneuert werden, hieß es damals zur Begründung. Nach Langhoff folgte Bernd Wilms als Intendant, 2009 kam dann Ulrich Khuon vom Hamburger Thalia Theater ans DT.
Langhoff arbeitete seit seinem „Weggang“ als freier Regisseur. „Das Gefühl der Freiheit war wunderbar. Man kann sich wieder auf das konzentrieren, was man gerne macht: Kunst. Und man muss sich nicht mehr um die ganzen furchtbaren organisatorischen und ökonomischen Dinge kümmern“, sagte Langhoff damals im Rückblick. Dabei hatte sich der Theatermacher, der erst im Schatten des berühmten Vaters und des erfolgreichen Bruders stand, lange gar nicht ans Theater gewagt. Nach seiner Ausbildung an der Theaterhochschule Leipzig war Langhoff in den 70er Jahren zunächst Schauspieler und Regisseur beim DDR-Fernsehen.
Mit Inszenierungen von Tschechow, Shakespeare, Kleist und Hauptmann feierte er schließlich am Deutschen Theater und am Maxim-Gorki-Theater in Berlin Erfolge. Seit 1980 reiste Langhoff immer wieder zu Gastinszenierungen nach Westdeutschland und rückte auch dort in die Riege der ersten Regisseure auf. In der DDR machte Langhoff mit der in seinen Inszenierungen versteckten Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen auf sich aufmerksam. Aufsehen erregte 1988 seine Inszenierung von Volker Brauns Stück „Übergangsgesellschaft“ am Maxim-Gorki-Theater, das auf der Bühne das Ende der DDR vorwegnahm.