Tod eines Landarbeiters wird im Theater aufgerollt
Mannheim (dpa) - Mit einer Mischung aus Volksmusik und Jazz werden die Zuschauer im Schauspielhaus des Mannheimer Nationaltheaters begrüßt.
Rose (Anke Schubert) erzählt singend - auf etwas wirre Weise - mit rauchiger Stimme von ihrem toten Sohn. Diesen nennt sie immer noch „Baby“. Wie er gestorben ist, bleibt bei der Uraufführung des Stücks „In den Westen“ am Samstagabend unklar.
Der österreichische Gegenwartsautor Thomas Arzt erzählt die triste Geschichte von drei männlichen und zwei weiblichen Verlierer-Typen. Trotz einiger Ungereimtheiten in der Handlung erhalten der 30 Jahre alte Hausautor am Schauspielhaus Wien, der 2012 beim Heidelberger Stückemarkt für sein Werk „Alpenvorland“ mit dem Autorenpreis ausgezeichnet wurde, und die Darsteller sehr viel Beifall.
In der Inszenierung von Cilli Drexel leben die Protagonisten in der steirischen Provinz an der Grenze zu Kärnten und Slowenien. Die Jutestoff-Bühne (Maren Greinke) mutiert zwischen Wiese, Waldbehausung und Grabstätte. Die jungen Erwachsenen vom Kleinkriminellen bis zur Gelegenheitsprostituierten machen ihre entvölkerte Heimat mit Schießübungen unsicher. Sie leben als Opfer von Strukturschwäche und der eigenen Perspektivlosigkeit in den Tag hinein. Als der nächste Winter naht, verlassen die letzten mobilen Menschen den Landstrich.
Zurück bleiben die fünf verwahrlosten und Unmengen von Schnaps schluckenden Underdogs um ihren Anführer Sam (David Müller), der gerade aus dem Knast kommt. Er hat als Kind im Wald die Leiche eines jungen Mannes gefunden, der vom Pferd geschossen worden war. Seitdem wartet er traumatisiert darauf, selbst erschossen zu werden.
Im Gegensatz zu seinen Freunden tritt Sam auf der Stelle, während die anderen ihre Flucht in Richtung Westen planen - aber nicht loskommen. Am Ende stirbt der Anführer durch eine plötzliche Kugel vor den Augen seiner Freunde. Ob die singende Rose nun Sam beweint oder den vom Pferd Geschossenen, bleibt auch nach dem Fallen des Vorhangs genauso unklar wie die Frage, was die Gruppe der Provinzler genau angestellt hat.
Die durchaus grotesk-humorvollen Episoden des sehenswerten Stücks hätten mit mehr Mut zum Dialekt noch verstärkt werden können. Doch der mehr aufs Hochdeutsche setzende Thomas Arzt will mit seinem Schauspiel eher den für ihn völlig rätselhaften Tod eines 20 Jahre alten Landarbeiters in der Steiermark im November 1953 aufarbeiten.
Der Mann hatte eine Haflingerstute gestohlen und war wie ein Cowboy im Gebirge umhergeritten. Mehrere Gendarmen erschossen ihn nach einer tagelangen Verfolgung aus „Notwehr“ in einem Waldstück. Nach Durchsicht von Polizeiunterlagen mit Fotos des Erschossenen und einer Wanderung zum vermeintlichen Todesort vermutet Arzt in einer Kurzgeschichte im Programmheft, der Landarbeiter sei im Liegen eher „hingerichtet“ worden.