Viel Applaus Tschechow ohne Tschechow beim Theatertreffen
Berlin (dpa) - Nein, glücklich sind sie nicht. Die „Drei Schwestern“, die sich in regelmäßigen Abständen im Ferienhaus irgendwo auf dem Land treffen.
Regisseur Simon Stone zeigte zum Auftakt des 54. Berliner Theatertreffens am Samstagabend Anton Tschechows berühmtes Stück - in einer radikal modernisierten Fassung voller Liebe, Leid und Lebensfrust.
Ohne einen Original-Satz von Tschechow kommen Stone und sein Ensemble vom Theater Basel aus. Die Dialoge des Klassikers wurden komplett neu geschrieben. Stone bietet eine Überschreibung mit deftiger Wortwahl und exzentrischen Ausbrüchen. Dennoch schafft er es, die Melancholie von Tschechows Drama spürbar und die Stagnation im Leben seiner Figuren und ihren Traum von einem besseren Leben nachvollziehbar zu machen.
Vom als besonders wählerisch geltenden Berliner Theaterpublikum gab es für die Basler zum Festivalstart viel Applaus. Unter den Zuschauern im Haus der Berliner Festspiele waren auch zahlreiche prominente Schauspieler und Theatermacher wie Lars Eidinger, Nina Hoss, Burghart Klaußner und Claus Peymann.
Besonders beeindruckte das Bühnenbild von Lizzie Clachan. Sie entwarf für die Spieler auf der Drehbühne ein komplett eingerichtetes Haus - mit Küche, Bad, Schlaf- und Wohnzimmer. Durch die großen Fenster sind die mit Mikrofonen ausgestatteten Schauspieler zu beobachten, als seien sie freizügige Nachbarn.
Wenn Mascha (Franziska Hackl), Olga (Barbara Horvath) und Irina (Liliane Amuat) dort ihren kiffenden Bruder und ihre frustrierten Freunde treffen, dann fühlt man sich wahlweise ein bisschen wie ein Voyeur oder als Zuschauer einer High-End-Soap.
Stone feierte bereits im vergangenen Jahr beim Theatertreffen einen Triumph: Seine Version von Ibsens „John Gabriel Borkman“ mit Stars wie Caroline Peters, Birgit Minichmayr und Martin Wuttke wurde mit Szenenapplaus und Bravo-Rufen gefeiert.
Bis zum 21. Mai zeigt das Theatertreffen deutschsprachiger Bühnen die von einer Jury ausgewählten „bemerkenswertesten“ Inszenierungen der Saison. Dazu gehören sechs Inszenierungen aus Deutschland, zwei Inszenierungen aus der Schweiz und zwei internationale Koproduktionen. Regisseure wie Herbert Fritsch, Ersan Mondtag und Milo Rau wurden für das Festival ausgewählt - bei dem schon die Einladung als Auszeichnung gilt.
Mit seiner Zehner-Auswahl hat das Festival in diesem Jahr allerdings etwas Pech. Aus technischen Gründen kann Ulrich Rasches Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ (Münchner Residenztheater) mit ihren gigantischen Laufbändern in Berlin nicht gezeigt werden. Das Hamburger Thalia Theater musste seine Vorstellungen von Theodor Storms „Der Schimmelreiter“ in Regie von Johan Simons wegen einer Erkrankung im Ensemble absagen.