Uraufführung von Delbonos „Reise durch Italien“
München (dpa) - Tanzende Soldaten, Machtspiele beim Musikunterricht und Verhaltenstipps für Frauen - das neue Stück des italienischen Regisseurs Pippo Delbono hat einiges zu bieten.
Und dafür gab es bei der Uraufführung im Münchner Residenztheater viel und teils stürmischen Applaus vom Premierenpublikum. „Meine Art Theater zu machen, begreife ich als theatrale Choreographie. Ich arbeite solange an einem Stück, bis es die von mir angestrebte Struktur ausweist“, schreibt Delbono, der mit der verstorbenen, weltberühmten Choreographin Pina Bausch zusammengearbeitet hat, im Programmheft zum neuen Stück. Diese Struktur ist allerdings zumindest auf den ersten Blick für den Zuschauer nicht unbedingt zu begreifen. Delbono springt zwischen collageartig zusammengewürfelten Szenen, die nur wenig miteinander zu tun zu haben scheinen.
Schon zu Beginn des Stücks präsentiert Delbono so etwas wie einen theatralischen Tobsuchtsanfall. Alle acht Darsteller stehen auf der Bühne und brüllen gegen die ohrenbetäubende Rockmusik an. Dann findet sich eine Geburtstagsgesellschaft zusammen, bei der es nur darum geht, was die Geschenke gekostet haben. Ein Musiklehrer staucht seinen Schüler zusammen und sagt Sätze wie: „Wichsen allein macht nicht glücklich, Flötespielen macht glücklich.“
Ein Paar streitet um die gemeinsamen Kinder und erpresst sich gegenseitig, Soldaten tanzen zusammen Walzer. Ganz zum Schluss zeigen Filmprojektionen ein kleines, sprachloses, altes Menschlein in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Und immer wieder erklingt zu dem Wust aus Eindrücken vor einer Kulisse (Bühne: Anneliese Neudecker), die an das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnert, Schumanns „Im wunderschönen Monat Mai“.
Ein Showmaster (Arthur Klemt) versucht, ein wenig Struktur in die „Reise durch Italien“, das „Land des ewigen Fressens“ zu bringen, er sagt Dinge wie: „Vielleicht löst die Probleme Neapels der Vesuv auf seine Weise.“ Dazu erklingt „Azzuro“ von Adriano Celentano.
Und immer wieder - „entschuldigen Sie die Unterbrechung“ - meldet sich Regisseur Delbono selbst zu Wort. Schließlich sei diese Inszenierung das erste Mal, dass der Schauspieler und Regisseur nicht selbst auf der Bühne stehe. Sein neues Stück sei unter dem Eindruck des arabischen Frühlings und „der letzten Kapitel der Berlusconi-Saga“ entstanden, schreibt das Residenztheater auf seiner Homepage.
„Ich lebe in einem korrupten, verwundeten Land, in abgrundtiefe Rohheit herabgesunken. Seit langer Zeit erstarrt dieses Land in der immer gleichen theatralischen Darstellung, bestehend aus stillschweigend hingenommenen Lügen, Machtmissbräuchen und Erpressungen“, wird der Italiener Delbono zitiert. Einige der letzten Worte des Stückes lauten: „Das Böse ist immer stärker“.