Werner Schroeter: Radikal, rastlos, frenetisch gefeiert
Abschied: Der Film- und Theaterregisseur Werner Schroeter ist tot.
Kassel. Werner Schroeter wollte sich bis zum Schluss seiner Krankheit nicht beugen. "Auch wenn man krank ist, kann man arbeiten, wenn man diese Arbeit als das nimmt, was sie ist: nämlich Freude am Dasein", sagte der Theater- und Filmregisseur noch vor wenigen Wochen. Am Montagabend erlag er in einer Klinik in Kassel den Folgen seiner Krebserkrankung, wie seine Agentin Monika Keppler sagte. Erst am vergangenen Mittwoch war er 65 Jahre alt geworden.
Schroeter gehörte wie Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Werner Herzog oder Wim Wenders zu den großen Regisseuren des Neuen Deutschen Films. Von diesen war er sicher der radikalste und umstrittenste. Mit ihrer hochstilisierten Kunstsprache, der kompromisslosen Ästhetik und dem Hang zum Pathos entziehen sie sich dem schnellen Zugriff.
Seit etwa drei Jahren litt der Filmemacher an Krebs. Deutlich von der Krankheit gezeichnet, erhielt er noch bei der Berlinale im Februar den schwul-lesbischen Teddy Award - eine der vielen Auszeichnungen für sein Lebenswerk. Ganz schmal, seinen schwarzen Hut über einem eingefallenen Gesicht, nahm Schroeter den Preis sichtlich gerührt aus der Hand seiner ersten großen Liebe Rosa von Praunheim entgegen.
Praunheim hatte dem damals 22-jährigen lebensmüden Freund geraten, seine Energie in Kreativität umzusetzen. Das tat dieser seither wie ein Besessener ohne Zugeständnis an Zeitgeist und Erwartungen. Mehr als 80 Theaterinszenierungen und drei Dutzend Filme sind so entstanden.
Beigebracht hatte sich Schroeter das Handwerk selbst. 1945 als Sohn eines Ingenieurs in Thüringen geboren, beschränkte er seine Ausbildung auf drei Wochen Psychologie-Studium in Mannheim und drei Monate Filmhochschule in München - dann legte er mit der 8-mm-Kamera los. Bis zuletzt widersetzte er sich Video, Tricks und elektronischem Bildschnitt.
Schroeter war ein rastloser Regisseur, er lebte, drehte und inszenierte an vielen Orten in Deutschland, später auf den Philippinen, in Frankreich und Portugal. Seinen Stil beschrieb er vor zwei Jahren in der "Zeit" als geprägt von "weit ausholenden Gesten, die ein Minimum an Inhalt ungeheuer aufblasen, pathetisieren, tragisch erscheinen lassen und ihm Bedeutung geben - das finde ich zur Erhellung der Realität interessanter als eine kleinliche Bemühung, sie psychologisch zusammenzupusseln." Der Film, das Theater finde im Kopf des Zuschauers statt: "Und je mehr der gefordert wird, umso mehr hat er Freude daran."
Auf die Nachricht vom Tod reagierte Praunheim erschüttert. Schroeter sei ein "großer Regisseur und wichtiger Freund" gewesen, sagte er. Seinen verstorbenen Kollegen nannte er einen "großen Außenseiter des deutschen Films und der Theaterbühne", einen "perversen Poeten" und einen "Zauberer des Lichts und der Schönheit".