Premiere: Oper zwischen Science Fiction und Liebesdrama
Musiktheater: Erstaufführung von Jörg Widmanns „Das Gesicht im Spiegel“ in Düsseldorf.
Düsseldorf. Zwischen Science-Fiction und Beziehungsdrama bewegt sich die Oper "Das Gesicht im Spiegel" des Komponisten und Klarinettisten Jörg Widmann. Im Zentrum der Handlung (Libretto: Roland Schimmelpfennig) steht der fast perfekte Klon einer ehrgeizigen Konzernchefin. Das künstlich geschaffene Wesen hat nur einen kleinen, aber verhängnisvollen Defekt: Es kann fühlen, aber nicht sterben. Die Uraufführung hatte 2009 großem Erfolg in München stattgefunden, nun erfolgte die Erstaufführung der 2010 revidierten Fassung an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf.
Man befindet sich im Zentrum eines Wirtschaftsimperiums. Konzernchefin Patrizia (Sarah Maria Sun) frohlockt, denn seit der Existenz ihres Klons steigen die Aktienkurse ihres Unternehmens ins Märchenhafte, während die der Konkurrenz auf Talfahrt gehen. Doch so recht glücklich werden die Beteiligten nicht. Denn der Klon (Anett Fritsch), den seine Erschaffer "Justine" taufen, verliebt sich in Patrizias Lebensgefährten Bruno (James Bobby). Das hatte der Biogenetiker Milton (Stefan Heidemann) allerdings nicht vorgesehen. Vielmehr rechnete er damit, dass sich das Wesen Justine in seinen Schöpfer verlieben würde.
Das Drama erinnert an manchen Klassiker: Büchners "Woyzeck" steckt ebenso darin wie manche Tragödie von Ibsen oder Strindberg. Beim Einsatz eines poetisch über alles reflektierenden Chores (Clara-Schumann-Jugendchor) lässt zudem das altgriechische Theater grüßen. Etwas eklektisch klingt auch Widmanns Musik: Beispielsweise besitzt der Ensemble-Gesang etwas von der Raffinesse eines Richard Strauss, hinzu kommen Techno-Sounds sowie Elemente von Jazz und Minimalmusic. Diese musikdramatische Melange besitzt eine gewisse Wucht, die ihre Energie auch aus der engen Verzahnung von Text, Musik, Regie, Sängern und Orchester bezieht. Auch besticht das Stück durch die sehr fein abgestimmte Inszenierung (Regie Gregor Horres). Visuell beeindruckt vor allem der große an Seilen hängende Spiegel-Kubus (Bühne: Jan Bammes).
Die von General-Musik-Direktor Axel Kober geleiteten Düsseldorfer Symphoniker musizieren mit viel Sinn für rhythmische und klangliche Feinheiten. Leider franst die anfangs so starke Gesamtdramaturgie zum Schluss etwas aus, was in der letzten halben Stunde die Spannung sinken lässt.