Ein Leben für das Erbe des Großvaters
Wolfgang Wagner war ein streitbarer Geist, der trotzdem stets offen für Innovationen auf dem „Grünen Hügel“ war.
Bayreuth. Am Ende hat er seinen Frieden gefunden. Nach einem streitbaren Leben hatte Wolfgang Wagner die Gewissheit: Sein Lebenswerk, die Bayreuther Festspiele, bleiben in Wagner-Hand. Dafür hatte er sein ganzes Leben dem Erbe des berühmten Großvaters Richard Wagner gewidmet. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang lenkte er mit starker Hand die Geschicke des weltweit renommiertesten Musikfestivals auf dem "Grünen Hügel". Am Sonntag ist Wolfgang Wagner im Alter von 90 Jahren in seinem Bayreuther Haus gestorben. Tochter Katharina Wagner war bei ihm, als er friedlich einschlief.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer würdigte ihn als "herausragende Theaterpersönlichkeit". Dabei war Wagner jahrelang allerdings keinem Streit mit den Regierungen in München und Berlin aus dem Weg gegangen: Mit Charme, List und einem gehörigen Maß Sturheit widerstand er allen Versuchen, ihn aus dem Amt zu drängen.
Da er Katharina, seine Tochter aus zweiter Ehe, als Nachfolgerin zunächst nicht durchsetzen konnte, verweigerte er den Rücktritt. Zugleich verschanzte sich der von vielen Seiten angefeindete Festspielchef zunehmend.
Die Situation ist festgefahren, als ein Drama von Richard Wagnerscher Dimension die Lösung bringt: Überraschend stirbt 2007 Wagners zweite Ehefrau Gudrun, die heimliche Herrin auf dem Hügel. Für Wagner ein schwerer Schlag, der aber zugleich die Tür öffnet für die nach seiner zweiten Heirat 1976 verstoßene Tochter Eva Wagner-Pasquier.
Es kommt zur Aussöhnung, 2008 übernehmen Eva Wagner-Pasquier (64) und Katharina Wagner (31) die Festspielleitung. Der gesundheitlich angeschlagene Wolfgang Wagner kann nach 57 Jahren in Frieden seinen Abschied nehmen. Es ist ein bewegender Moment, als er sich nach der "Parsifal"-Aufführung noch einmal dem Publikum im Festspielhaus zeigt. Mit minutenlangen Ovationen feiern die Zuschauer die Lebensleistung des Enkels von Richard Wagner.
Wolfgang Wagner wurde 1919 als das dritte Kind von Siegfried und Winifred Wagner geboren. 1940 aus der Wehrmacht entlassen, begann er seine künstlerische Mitarbeit bei den Festspielen sowie an der Preußischen Staatsoper Berlin. Ab 1950 baute er gemeinsam mit seinem älteren Bruder Wieland Wagner die durch die Nähe zu den Nationalsozialisten diskreditierten Festspiele wieder auf. Bereits ein Jahr später fanden die ersten Festspiele statt. Freilich stand Wolfgang Wagner, ein geschickter Kaufmann und Organisator, als Regisseur stets im Schatten Wielands.
Nach Wielands frühem Tod im Oktober 1966 übernahm der Jüngere die Verantwortung für die Festspiele, die alljährlich fast 60000 Besucher aus aller Welt anziehen. Es gelang ihm, die besondere Atmosphäre am "Grünen Hügel" zu erhalten. Während er für seine eigenen, oft konventionellen Arbeiten viel Kritik einstecken musste, bewies Wagner als Intendant immer wieder Mut zu Neuerungen. Er öffnete die Festspiele für Regisseure von außen und holte schon 1972 Götz Friedrich, dessen "Tannhäuser" für einen Skandal sorgte. Daneben lag sein großes Verdienst in der finanziellen Stabilisierung der Festspiele.