Aufstieg und Fall in drei Akten
Philip Roth: Roman „Die Demütigung“ – über einen Mann in der Krise.
Düsseldorf. Auf einer Bühne zu stehen und nicht spielen zu können - diesen Albtraum kennt fast jeder. Für den gefeierten Schauspieler Simon Axler wird er Realität. Der 65-Jährige zweifelt an sich und der Welt. Er schliddert in eine tiefe Krise und begibt sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik. Selbstmord scheint eine nicht so ferne Lösung, denn auch die große Dramenliteratur handelt davon: Othello, Ophelia oder eben Konstantin Gawrilowitsch aus Tschechows "Die Möwe". Erst als Axler die 25 Jahre jüngere Pegeen kennenlernt, schöpft er neue Hoffnung.
So vertraut klingt die Geschichte aus Philip Roths neuem Roman "Die Demütigung". Doch wer den jüdisch-amerikanischen Autor kennt, weiß, dass er kein Mann für einfache Lösungen ist. Seit Jahren seziert der fast 77-Jährige das Altern, das Sterben und damit Verbunden das letzte Aufbäumen dagegen mit Sex und Liebe. Auch dieser neue, dicht geschriebene Roman variiert die Themen erneut, wie immer meisterhaft komponiert und mit einer Lakonie, für die man wahrscheinlich schon mit allem abgeschlossen haben muss.
Wie ein großes Drama gestaltet Roth seinen Roman in drei Akten. Er erzählt vom plötzlichen Glück des Schauspielers, als eines Tages Pegeen bei ihm vor der Tür steht, die Tochter eines befreundeten Schauspielerpaars. Die burschikose Universitätsdozentin lebte bisher in lesbischen Beziehungen und vollzieht an der Seite des neuen Partners eine Wandlung. Axler glaubt an das große, dauerhafte Glück - oder will daran glauben. Sogar Kinder kann er sich noch vorstellen, um sein Dasein zu verlängern. "Du bist wunderbar für mich", sagt Pegeen. "Die Lösung all meiner Probleme." Die perfekte Symbiose, so scheint es.
Doch ein Treffen von Pegeen mit ihrer Mutter sät erste Zweifel: "Der Mann ist zu alt für dich, bald schon musst du ihn pflegen." Axler fühlt sich tief gedemütigt und versucht umso verkrampfter, eine Zukunft für das neue Liebesglück zu entwerfen. Doch Pegeen gesteht ihm, dass sie immer noch mit Frauen schläft. Eine junge Frau, die er und Pegeen in einer Bar aufgabeln, bestätigt die Zweifel an der Zukunft der Beziehung, die nicht mehr zu ignorieren sind. Plötzlich steht Axler außen vor und beobachtet kalt und sezierend das Liebesspiel der beiden Frauen. Pegeen kommt ihm vor wie "eine magische Mischung aus Schamanin, Akrobatin und wildem Tier".
Der Niedergang nimmt seinen Lauf. Doch Roth gestattet seinem Protagonisten keine Sentimentalität. Er protokolliert das Ende aller Hoffnung scharf analysierend, elegant, ohne Bitterkeit. So ist das Leben, scheint er sagen zu wollen. Und ihm gelingt es in diesem Roman, trotz der nur knapp 140 Seiten, einen ganzen Kosmos zu entwerfen. Philip Roth: "Die Demütigung", Hanser, 138 S., 15,90 Euro