Wie der Schlager blühte und verging

Er vereint romantische Liebe, Abenteuer und die CDU.

Düsseldorf. In den 50er und frühen 60er Jahren erlebt der Schlager eine Blüte. Interpreten wie Freddy Quinn und Caterina Valente lassen die Herzen schmelzen, wecken Sehnsüchte nach der Ferne oder nach ungetrübter Liebe.

Doch Mitte der 60er verdrängt der englischsprachige Pop den alten Schlager und läutet seinen unumkehrbaren Niedergang ein. Diese Entwicklung hat der Historiker Professor Christoph Nonn am Freitag an der Uni Düsseldorf im Rahmen der Ringvorlesung "Musik.Macht.Staat" dargelegt.

Nach dem Bruch Mitte der 60er Jahre galt der Schlager laut Nonn als reaktionär und bieder, als Flucht in die heile Welt kleinbürgerlicher Illusionen. Soziologen warfen ihm sogar vor, jene Ideologie widerzuspiegeln, die zum Nationalsozialismus geführt habe. Schlager, das war plötzlich etwas für Omas oder geistig Arme. Pop dagegen galt als progressiv und sexy, als Protest gegen eine verstaubte Generation und Motor der Selbstfindung.

Der Schlager "verkam zu einem Randphänomen, das in Verbindung mit Volksmusik und Ballermann" weiterlebte, sagte Nonn. Die Jugend begeistere er allenfalls noch "in ironischer Brechung durch Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn". Dabei galt Schlager in den 50er Jahren noch als jugendlicher Protest: "Die Adaption des Rock n’ Roll durch Peter Kraus galt als Affenmusik."

Das dominierende Thema in Pop und Schlager ist die Liebe. "Im Schlager aber eher in der harmonischen Zweierbeziehung", sagte Nonn. Der Pop betone das Individuum. In den 50ern ließen zudem Schlager über Heimat und Abenteuer die Herzen höher schlagen. Unvergessen zum Beispiel wie Freddy Quinn sehnsuchtsvoll "Junge, komm bald wieder" schmetterte.

Die häufigsten Worte im Schlager der 50er und 60er seien: "Nacht, Glück, Herz und Tag", so Nonn. Wobei es einen wesentlichen Unterschied zwischen BRD- und DDR-Liedern gegeben habe. "In der DDR gibt es Liebesglück eher am Tag, in der Bundesrepublik dagegen im Dunkeln."

Wie sehr Schlagertexte gesellschaftlich geprägt sind, zeigt eine Anekdote: Während Udo Jürgens im Bundestagswahlkampf 1972 für Willy Brandt sang, ließ die CDU Singles namens "Bonnanza" verteilen. Dieter Thomas Heck führte darauf durch eine Hitparade parteifreundlicher Schlager. Besonders ins Ohr gehen sollte die Zeile: "Ich weiß längst schon, was ich tu, wähl auch Du CDU!"