Agentur Bestager: "Zuschauer wollen auch Menschen ihres Alters sehen"

Meerbusch. Als „Meislein“ erlangte Karin Eckhold in den 1980er Jahren deutschlandweit Bekanntheit. Das „Fräulein Karin Meis“ saß im Vorzimmer von „Professor Dr. Klaus Brinkmann“ alias Klausjürgen Wussow, Chefarzt der „Schwarzwaldklinik“.

Foto: Ulrike Boldt (Mitte), Stuart Manlove (r), Uli Schmissat (l)

Heute arbeitet die gebürtige Hamburgerin, Jahrgang 1938, vor allem als Sprecherin und wird von der Meerbuscher Agentur 60plus vertreten.

Wie der Name schon verrät, haben sich Chefin Ulrike Boldt und ihr Team auf ältere Generationen spezialisiert. „Damit haben wir in Deutschland ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Boldt, selbst 1972 geboren. Und sie fügt lächelnd hinzu: „Ich wundere mich, dass uns noch keiner kopiert hat.“

Denn in einer immer älter werdenden Gesellschaft hat ihr Konzept auch immer mehr Erfolg. „Zuschauer wollen auch Menschen ihres Alters sehen“, so die Agenturgründerin. Der Grundgedanke beim Start vor elf Jahren war: „Es gibt doch auch Agenturen für Kinder und Jugendliche - warum also keine für ältere Menschen?“ Also schrieb sie mehr als 300 Schauspieler jenseits der 60 an - mit großem Erfolg. „Wir bekamen eine Wahnsinns-Resonanz“, erinnert sich Ulrike Boldt. Heute stehen etwa 70 Namen in ihrer Kartei, weibliche und männliche halten sich die Waage. Berühmtheiten á la Senta Berger, Hannelore Elsner oder Siegfried Rauch sind nicht darunter. Vielmehr sind es Menschen, deren Gesichter zwar teils durchaus bekannt sind, deren Namen aber nicht jedem gleich etwas sagen. „Wir sind keine Promi-Agentur“, betont Boldt.

Zu „ihren“ Darstellern zählt beispielsweise auch Michael Kausch, 1949 in Mettmann geboren. Seine bekannteste Rolle ist sicherlich der Rechtsanwaltskollege von „Liebling Kreuzberg“ (Manfred Krug) in der gleichnamigen Serie. Auch in „Praxis Bülowbogen“, „Unser Lehrer Doktor Specht“ und „Wolffs Revier“ war er zu sehen. „Er dreht auch heute noch und spielt am Theater in Aalen“, erzählt seine Agentin. Die Gründe, auch nach 40 oder 50 Jahren im Beruf nach wie vor auf der Bühne, vor der Kamera oder am Mikro zu stehen, sind vielfältig. Bei Darstellern vor dem 70. Lebensjahr geht es oft auch um die Existenzsicherung. Sie brauchen schlicht das Geld wie andere Berufstätige auch. Bei fortschreitendem Alter - der Älteste in der 60plus-Kartei feiert in diesem Jahr seinen 93. Geburtstag - ist es zumeist die reine Freude an der Aufgabe.

Die Anfragen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Mal geht es um eine Rolle in Krimiserien wie „Soko Wismar“ oder „Tatort“. Mal wird für ein Hörbuch eine besonders reife Stimme gesucht. Und manchmal sollen die Schauspieler auch Unternehmen beim Verkaufen helfen. Ob Discount-Kette oder Schweizer Bank - in Werbespots sind Klienten der Meerbuscher Agentur immer wieder zu sehen. Auch für Treppenlift-Reklame gab es schon Buchungen. „Doch manche wollen auch nicht in diese Senioren-Schublade gesteckt werden“, sagt Ulrike Boldt. Drehbücher, die zu plakativ das Oma- oder Opa-Image verlangten, würden von ihnen entsprechend abgelehnt.

Eine Herausforderung für viele ältere Schauspieler sei der Umgang mit modernen Medien. „Manche haben noch nicht einmal ein Handy, von einem Computer mit Internet ganz zu schweigen.“ Das mache die Kommunikation mit den Schauspielern mitunter etwas umständlich. Auf der anderen Seite verfügen die „Darsteller 60plus“ naturgemäß über einen reichen Erfahrungsschatz. „Sie wissen genau, wie die Branche funktioniert“, sagt Ulrike Boldt. Während jüngere Akteure, die sie in ihrer zweiten Agentur ebenfalls vertritt, nach einem erfolglosen Casting nicht selten am Boden zerstört seien, wüssten die Älteren, „dass solche Erlebnisse schlicht zu diesem Beruf dazugehören“.