Polnischer Meister-Regisseur Andrzej Wajda mit 90 Jahren gestorben

Warschau (dpa) - Polen trauert um einen Meister-Regisseur: Der Oscarpreisträger Andrzej Wajda starb am Sonntagabend im Alter von 90 Jahren. Sein Tod kam für viele Polen trotz des hohen Alters überraschend.

Foto: dpa

Noch vor knapp drei Wochen war Wajda beim Filmfest im nordpolnischen Gdynia mit tosendem Applaus gefeiert worden. Dort hatte er seinen neuesten Film „Powidoki“ (Nachbilder) vorgestellt. Dass es auch sein letztes Werk werden sollte, war zu dem Zeitpunkt nicht klar.

Denn Wajda hatte noch lange nicht ans Aufhören gedacht. „Wer 90 Jahre alt ist, ist ein wirklich alter Mensch. Deswegen beeile ich mich und denke schon an den nächsten Film“, sagte der Regisseur, der sich bei öffentlichen Auftritten auf einen Gehstock stützen musste. Für Filme wie „Das gelobte Land“, „Danton“ oder „Der Mann aus Marmor“ war Wajda weltweit bekannt. Zu seinen Preisen zählten unter anderem die Goldene Palme von Cannes und der Goldene Bär der Berlinale. 2000 wurde Wajda mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk geehrt.

Die begehrte goldene Statue könnte er auch posthum zugesprochen bekommen. Wajdas Biopic über den Künstler Wladyslaw Strzeminski (1893-1952), der sich der Zensur des kommunistischen Regimes widersetzt hatte, ist Polens Kandidat für den fremdsprachigen Oscar. „Ich habe einen Film gemacht, der zeigt, dass das Eingreifen in die Kunst nicht Aufgabe der Regierung ist“, sagte Wajda vor seinem Tod. Das Thema ist in seiner Heimat hochaktuell. Seit Amtsantritt der nationalkonservativen Regierung Ende 2015 klagen viele polnische Künstler über eine Einflussnahme der Regierenden auf die Kulturbranche.

Bis zuletzt hatte sich auch Wajda für die Freiheit der Kunst eingesetzt. Mit anderen Regie-Kollegen warf er dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP „Zensur“ vor, als dieser den oscar-prämierten polnischen Film „Ida“ (2013) in einer kommentierten Fassung zeigte. Das Werk von Pawel Pawlikowski handelt von der Identitätssuche einer jungen Nonne jüdischer Herkunft. Für sein Engagement in öffentlichen Debatten wurde Wajda von den Polen nicht nur als Künstler, sondern auch als moralische Autorität verehrt.

Der 1926 im nordöstlichen Suwalki geborene Pole studierte an der Filmschule in Lodz. Bereits seine ersten Filme - „Eine Generation“ (1955), „Der Kanal“ (1957) und „Asche und Diamant“ (1958) gelten als Meisterwerke und Klassiker der „polnischen Filmschule“. Darin setzte sich der Regisseur, der selbst am Widerstand gegen die deutsche Besatzung teilgenommen hatte, mit der Kriegszeit und der Machtübernahme durch die Kommunisten nach 1945 auseinander.

Die dramatische Geschichte Polens prägte immer wieder Wajdas Werk. Sein Klassiker „Der Mann aus Marmor“ (1977) war eine schonungslose Kritik am stalinistischen System. „Der Mann aus Eisen“ (1981) thematisierte das Ringen um freie Gewerkschaften an der polnischen Ostsee. Abschluss der „Danziger Trilogie“ war die Filmbiografie „Walesa. Mann der Hoffnung“.

Mit „Das Massaker von Katyn“ (2007) setzte Wajda tausenden polnischen Offizieren, die 1940 vom sowjetischen Geheimdienst erschossen worden waren, ein Denkmal. Es war die Aufarbeitung eines ganz persönlichen Traumas: Unter den Opfern des Massakers befand sich Wajdas Vater, ein Kavallerieoffizier.

Manche Kritiker warfen Wajda vor, er sei bis zum Ende des Kommunismus im Jahr 1989 zu viele Kompromisse mit den Kommunisten eingegangen. „Ich war die Stimme der Nation, die nicht frei sprechen konnte“, konterte dagegen der Regisseur. Ohne seine Filme hätte es 1980 die Freiheitsbewegung „Solidarnosc“ nicht gegeben. Der vier Mal verheiratete Regisseur und Vater einer Tochter machte auch einen vorübergehenden Ausflug in die Politik und war Senator (1989-1991) für die Solidarnosc-Bewegung im polnischen Parlament.

„Wajdas Tod ist ein riesiger Verlust für Polens Kultur“, schrieb Polens Institut für Filmkunst auf seiner Webseite. Das polnische Kino werde lange Zeit um ihn trauern, titelten polnische Medien. Doch durch sein rund 50 Filme umfassendes Werk wird der Filmemacher in seiner Heimat und darüber hinaus in Erinnerung bleiben.