Ausstellung in München: Der unbekannte Loriot

München (dpa) - Loriot hat immer unter Schlaflosigkeit gelitten. Sein Geist war einfach zu wach. „Er konnte seinen hellen Geist nicht einfach ausknipsen“, heißt es in dem neuen Buch „Loriot - Spätlese“, das unter anderem seine Tochter, Susanne von Bülow, auf den Markt gebracht hat.

Und so begann er, in der Nacht zu zeichnen. „Nachtschattengewächse“ hat er die Werke genannt, die dabei entstanden und die jetzt der Höhepunkt einer neuen Ausstellung im Münchner Literaturhaus sind.

Sie zeigen einen Loriot wie man ihn nie zuvor gesehen hat. Einen etwas dunkleren, einen, der Fantasien zeigt, losgelöst vom gezeichneten Witz. Die lustigen Männchen mit der Knollennase geraten dabei immer weiter in den Hintergrund und sind, falls überhaupt vorhanden, auf den Bildern oft nicht viel mehr als eine Signatur, der Nachweis, dass es sich - allem Anschein zum Trotz - tatsächlich um einen Loriot handelt. Auch ein Hitler mit Knollennase ist dabei.

Vom Kubismus hat er sich für die Bilder, die in den letzten Jahren vor seinem Tod entstanden, inspirieren lassen, sagt Kurator Peter Geyer. Und tatsächlich erinnert das, was Vicco von Bülow da nachts in seinem Haus am Starnberger See zu Papier brachte, entfernt an den Stil Picassos. Nackte Frauen mit zerfallenen Kronen sind auf den Zeichnungen zu sehen, ein Elefant mit Reißzähnen - und auch ein Mops, kubistisch zerlegt.

„Im Vordergrund stehen Themen, die nun wichtiger geworden sind, etwa das Nachlassen der Sehkraft und das Verstreichen der Zeit“, heißt es im Buch. Ein Loriot-Zitat steht an der Wand: „Mit großer Neugier begegne ich dem Wachstum nächtlicher Schatten. Nichts wird vertrieben, alles wird ebenso geliebt wie verwurstet.“

Doch Buch und Ausstellung zeigen nicht nur dieses unbekannte Spätwerk. „Der Titel "Spätlese" ist auch so zu verstehen - als spätes Lesen“, sagt Kurator Geyer. Und so sind auch Karikaturen aus sehr viel jüngeren Jahren zu sehen, die bislang nicht an die Öffentlichkeit gerieten, weil Zeitschriften sie in den 50er Jahren ablehnten.

Bei manchen hängen die Absagen der Verlage süffisant daneben: „Leider müssen wir Ihnen die Zeichnungen geschlossen zurückgeben, da die Redaktion diesmal nichts Passendes für sich darunter finden konnte“, heißt es von der Zeitschrift „Quick“ im Jahr 1952. Auch ein Brief Loriots zur Veröffentlichung seines Buches „Auf den Hund gekommen“ von 1954 ist zu sehen. Er „liebe Hunde und Menschen“, schreibt der Mops-Fanatiker („Ein Leben ohne Mops ist möglich aber sinnlos“) darin.

Nach dem Tod Vicco von Bülows im Jahr 2011 hat seine Tochter Susanne seinen Nachlass aufgearbeitet und diese Schätze zusammengetragen - auch zur Trauerbewältigung, wie Geyer sagt. Neben den frühen, unbekannten Karikaturen sind auch ganz private dabei, die Loriot gerne an die Familie, Freunde und Bekannte verschenkte.

„Loriot, grübelnd darüber, was er seinem Schwiegersohn zum Geburtstag schenken soll“ hat er eine Zeichnung von sich unterschrieben. Tochter Bettina bekam zum 25. Januar 2003 einen Mops in einer gelben Tulpe - „von ihrem Papi“. Auch seine Frau Romi bekam hin und wieder einen Mops und ein rotes Herzchen unter der schlichten Signatur „Vicco“.

Die Ausstellung soll bewusst kein „Best-of des Best-of“ sein, wie Kurator Geyer sagt. „Das hätte so etwas von Endverwertung.“ Und so zeigt sie einen Loriot hinter dem Kult von Wuppertaler Herrenboutique, Gummiente oder „Pappa ante Portas“.