Beifall für „Killer Joe“ - Zurückhaltung bei „Faust“

Venedig (dpa) - Nur wenige Meter vom glamourösen roten Teppich entfernt klafft ein riesiges Loch im Boden. Es ist eine tiefe Baugrube, wo ein neues Festivalgebäude für die Internationalen Filmfestspiele Venedig entstehen sollte.

Doch dann wurden asbestverseuchte Strandhütten gefunden und das Festival zum Umdenken gezwungen. Nicht alles lief wie vorgestellt - das passte am Donnerstag irgendwie auch zur Rolle von Hollywoodstar Matthew McConaughey in „Killer Joe“. In dem Wettbewerbsbeitrag hat der Schönling als Auftragsmörder eigentlich einen perfekten Plan, doch dann geht jede Menge schief und er muss einiges auf den Kopf stellen.

McConaughey gibt in dem Beitrag von US-Regisseur William Friedkin einen Killer mit Doppelleben: Offiziell ist er Polizist, verdient sich nebenbei aber noch mit Auftragsmorden etwas dazu. Das läuft auch ganz gut - bis er auf den jungen Chris und dessen Familie trifft. Der Drogendealer hat Geldprobleme und will seine Mutter umbringen lassen, um an das Geld ihrer Lebensversicherung zu kommen.

Der 41-jährige gebürtige Texaner McConaughey, der sich privat gern als durchtrainierter Beau gibt, zum Festival aber nicht anreiste, zeigt im gesamten Film so gut wie nur einen Gesichtsausdruck und kaum emotionale Regungen. Das soll wohl an andere, stoische Kinokiller erinnern, allerdings fehlt McConaughey als Mörder ein herausstechendes Merkmal, eine Besonderheit. Dass „Killer Joe“ dennoch seinen Reiz hat, liegt daher vor allem daran, dass Regisseur Friedkin den Film nicht nur als Thriller inszeniert, sondern die Geschichte auch mit komödiantischen und romantischen Elementen verwebt.

Nach der ersten Vorführung wurde bei „Killer Joe“ dann sogar so stark applaudiert wie bei kaum einem anderen Film in diesem Venedig-Jahr. Im Gegensatz zu Alexander Sokurows Wettbewerbsbeitrag „Faust“, der auf der gleichnamigen Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe basiert und in dem deutsche Schauspieler wie Hanna Schygulla und Florian Brückner agieren. Der russische Regisseur vollendet damit seine Tetralogie über „große Spieler“, die gescheitert sind, wie Sokurow selbst erklärte. Nach Filmen über Adolf Hitler, Lenin und den japanischen Kaiser Hirohito ergänzt der Filmemacher seine Reihe nun allerdings um eine fiktive Figur.

„Goethe und sein "Faust" sind die Schlüsselelemente der europäischen Kultur“, sagte Sokurow vor der Premiere seines Werks. „Sie sind die Basis der westlichen Kultur.“ Alle anderen Schriftsteller danach, wie zum Beispiel Dostojewski, seien davon inspiriert worden. „Es fällt schwer, ohne diesen Autor über Literatur nachzudenken.“ Leider überträgt sich diese Faszination kaum auf die Zuschauer - zu behäbig wirkt Sokurows Inszenierung, zu zäh seine Dialoge. Vielleicht hätte er sein Konzept für den Film noch einmal auf den Kopf stellen sollen.