9/11 - Der Terror auf der Leinwand
Früher war in Filmen alles möglich. Nach den Anschlägen musste Hollywood umdenken.
Los Angeles. Perfektes Timing: Zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September wartet Hollywood mit großen Stars für eine neue Verfilmung auf. Tom Hanks und Sandra Bullock spielen die Hauptrollen in der Verfilmung von Jonathan Safran Foers New-York-Roman „Extrem laut und unglaublich nah“. Das Drama erzählt die Geschichte eines Jungen, dessen Vater bei den Terroranschlägen im World Trade Center ums Leben kommt.
Lange war Hollywood dem Alptraum des 11. September 2001 aus dem Weg gegangen. Die realen Bilder der einstürzenden Zwillingstürme übertrafen jeden Katastrophenfilm. Drehbücher wurden umgeschrieben, Filme neu geschnitten.
Der noch vor den Anschlägen produzierte Arnold-Schwarzenegger-Thriller „Collateral Damage“ — über einen Terroranschlag mit Rachefeldzug — wurde nicht wie geplant im Oktober 2001, sondern erst im Jahr darauf in die Kinos gebracht. Kino-Trailer für „Spider-Man“ wurden rasch aus dem Verkehr gezogen. Denn auf den Plakaten kletterte der Spinnenmann zwischen den Zwillingstürmen herum.
Der erste Kino-Spielfilm über den 11. September feierte genau ein Jahr nach den Anschlägen beim Filmfestival in Toronto Premiere. „The Guys“ mit Sigourney Weaver und Anthony LaPaglia erzählt die Geschichte einer Journalistin und eines Feuerwehrmannes, der acht Kameraden im World Trade Center verlor. An den Kinokassen fiel das Drama trotz guter Kritiken durch.
Erst mit dem realitätsgetreuen Film „Flug 93“ konnte Hollywood die Kinosäle füllen — ganze fünf Jahre nach den Anschlägen.
Er wolle eine „glaubhafte Wahrheit“ konstruieren, sagte Regisseur Paul Greengrass, der keine Hollywoodstars engagierte, sondern echte Stewardessen, Fluglotsen und Piloten. Die Passagiere setzten sich gegen die Entführer zur Wehr, über einem Feld in Pennsylvania ging das Flugzeug zu Boden.
Auch Oscar-Preisträger Oliver Stone wählte für sein „World Trade Center“ (2006) eine wahre Begebenheit, die Geschichte zweier Polizisten (Nicolas Cage und Michael Peña), die als letzte lebend aus den Trümmern des World Trade Center gerettet wurden. Ausgerechnet Stone, der mit Polit-Filmen wie „J.F.K.“ und „Geboren am 4. Juli“ kritischen Geist bewies, machte daraus ein vor Patriotismus strotzendes Rührstück.
„Überall auf der Welt wollen die Menschen Hoffnung, deswegen sind Hollywood-Filme erfolgreich“, belehrte Stone seine Kritiker. Für einen komplexen Film über den Terror, seine Ursachen und Folgen sei es einfach zu früh.
Wie viel Realität kann den Kinogängern und den direkt Betroffenen zugemutet werden? Für Allison Vadhan, Tochter der ums Leben gekommenen Passagierin Kristin White Gould auf „Flug 93“, macht es keinen Unterschied. „Es wird nie vorbei sein für uns Familien, die jemanden verloren haben. Es wird immer heikel und unangenehm sein. Aber je mehr Filme, desto besser. So vergessen wir nicht, was passiert ist“, sagte sie beim Kinostart von „Flug 93“.