Mit Schal und Charme Berlinale-Chef Dieter Kosslick wird 70
Berlin (dpa) - Er herzt Stars auf dem roten Berlinale-Teppich und verschenkt Kinotickets an Filmfans. Immer mit dabei: Dieter Kosslicks berühmter Schal und sein augenzwinkernder Charme.
Als Herr der Bären muss der Festivalchef aber auch immer wieder heftige Kritik an seiner Programmauswahl einstecken. Im nächsten Februar wird der gebürtige Pforzheimer seinen letzten Auftritt als Direktor der Berliner Filmfestspiele haben. Sein Nachfolger steht noch nicht fest. Am Mittwoch (30.5.) feiert Kosslick nun aber erstmal seinen 70. Geburtstag - und erinnert sich an seine aufregendsten und schlimmsten Berlinale-Momente.
Jedes Jahr im Februar ist Kosslick bei der Berlinale Gastgeber für internationale Schauspielgrößen wie Robert Pattinson, Matt Damon, George Clooney, Juliette Binoche, Catherine Deneuve, Michael Douglas, Penélope Cruz und Richard Gere. Während der elftägigen Filmfestspiele ist Kosslick im Dauereinsatz und wohnt in einem Hotelzimmer mit Blick auf den roten Teppich. „Meine Familie sehe ich während des Festivals eigentlich gar nicht. Aber an einem Tag nehme ich meinen Sohn mit zum roten Teppich, damit er mal sieht, wie das alles abläuft“, erzählt der Festivalleiter der Deutschen Presse-Agentur.
Zu Kosslicks schönsten Augenblicken gehört die Berlinale-Eröffnung 2008, als die Rolling Stones und Regisseur Martin Scorsese mit ihrem Konzertfilm „Shine a Light“ kamen. „Aber es gab auch dramatische, stille Momente wie bei der Premiere von Andrzej Wajdas später für den Oscar nominiertem Drama 'Das Massaker von Katyn'“, erinnert sich Kosslick. „Unvergessen ist der Tankstellen-Blumenstrauß eines Fans, den ich mangels eigener Blumen auf der Bühne Meryl Streep überreichte. Sie bedankte sich leicht irritiert für 'the wonderful flowers from the gasoline station'“. Schön seien auch die Preisverleihungen an Claudia Cardinale und Anouk Aimée gewesen. „Ach, die Liste ist endlos.“
Doch es gab auch Ereignisse, die Kosslick die Schweißperlen auf die Stirn trieben. „Die Opening Night, der Eröffnungsfilm, kann auch zu einem Opening Nightmare, einer Schreckensnacht, werden“, sagt Kosslick. Bei der Berlinale-Eröffnung 2004 wurde der Hollywoodfilm „Cold Mountain“ mit Nicole Kidmann, Renée Zellweger und Jude Law gezeigt - aber keiner der angekündigten Stars kam. „Sie sagten drei Stunden vorher alle ab. Das war der härteste Moment.“
Der Baden-Württemberger Kosslick startete seine Karriere in den 70er Jahren in Hamburg als Redenschreiber und Büroleiter des damaligen Ersten Bürgermeisters Hans-Ulrich Klose (SPD). Später war er Frauenbeauftragter der Hansestadt. Kosslick arbeitete als Redakteur bei der Zeitschrift „Konkret“ und ging 1983 dann in die Filmförderung. Dort war er zunächst Geschäftsführer des Hamburger Filmbüros, 1988 wurde Kosslick Geschäftsführer der wirtschaftlichen Filmförderung Hamburgs. Seit 1992 leitete er die Filmstiftung NRW. 2001 wurde er Chef der Internationalen Filmfestspiele Berlin, die neben den Filmfestivals in Cannes und Venedig zu den „großen Drei“ zählen.
Noch bis Mai 2019 läuft Kosslicks Vertrag. Prominente Regisseure hatten zuletzt in einer Erklärung ein transparentes Verfahren zur Neubesetzung der Berlinale-Leitung und einen inhaltlichen Neustart des Festivals gefordert. Kosslick kündigte an, dass er künftig nicht mehr für eine Leitungsfunktion bei der Berlinale zur Verfügung stehe. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach sich nun dafür aus, dass es künftig eine Doppelspitze geben solle - nach dem Vorbild von Cannes mit getrennter künstlerischer und geschäftsführender Verantwortung. Im Sommer will sie die künftige Berlinale-Leitung vorstellen.
Und was soll aus der Ära Kosslick bleiben, wenn er den Chefsessel geräumt hat? „Wir haben politisches Engagement und künstlerische Filme so programmiert, dass die Themen und Filme ein großes Publikum gefunden haben“, sagt der Festivaldirektor. „Wir haben uns für verfolgte iranische Regisseure eingesetzt und verbotene chinesische Filme gezeigt. Schauspieler wie Richard Gere und George Clooney haben sich auf der Berlinale in aktuelle politische Debatten eingemischt“, so Kosslick. „Im Berlinale-Statut von 1951 heißt es, das Festival soll zur Völkerverständigung beitragen und das sollte auch weiterhin so sein.“
Kosslicks Liebe zum Kino wurde übrigens von einem ganz bestimmten Film geweckt. „Das war 'Ben Hur' von William Wyler“, erinnert er sich. „Das war zwar nicht der erste Film, den ich gesehen habe. Aber es war ein Film, der mich als Elfjährigen tief beeindruckt hat. Ich habe dann jahrelang noch Sandalenfilme und Western geguckt.“ Seinen Geburtstag verbringt Kosslick mit seiner Frau und seinem Sohn bei einem Kurzurlaub in Italien.