Debütfilm aus Venezuela gewinnt Goldenen Löwen

Venedig (dpa) - Es ist erst sein erster Spielfilm und doch ist Lorenzo Vigas schon ganz weit oben angekommen: Mit seinem Debüt, dem so vielschichtigen wie intensiven Drama „Desde allá“, gewinnt der Regisseur aus Venezuela den Goldenen Löwen des Filmfestivals Venedig.

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Er triumphiert mit einem einprägsamen Werk über die sexuell und emotional aufgeladene Beziehung zwei ungleicher Männer - und holt die höchste Auszeichnung der Festspiele zum ersten Mal nach Lateinamerika.

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Vigas (Jahrgang 1967) erzählt von Armando, der in Caracas deutlich jüngere Männer anspricht und sie gegen Bezahlung mit nach Hause nimmt. Einer von ihnen ist Elder, ungestüm, gewalttätig, aufgewachsen in armen Verhältnissen. Zwischen den beiden beginnt eine komplizierte Beziehung, beide suchen Nähe, Geborgenheit und Liebe.

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Der Regisseur deutet dabei viel an und überrascht mit unvorhersehbaren Wendungen. Außerdem gelingt ihm eine subtile Gesellschaftskritik, zeigt er doch die teils prekären Lebensverhältnisse, die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich und die Ausgrenzung von Homosexuellen. Die Stärke von Vigas habe die Jury bewegt und überrascht, sagte dann auch die deutsche Schauspielerin und Jurymitglied Diane Kruger am Samstag nach der Verleihung. Sein Drama erzähle eine „wunderbare menschliche Geschichte“.

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Überhaupt waren es im Wettbewerb vor allem die Männerfiguren, die mit dem Leben hadern. So auch in „Anomalisa“, diesem Animations-Kunstwerk, das mit dem Großen Preis der Jury - der zweitwichtigsten Auszeichnung - geehrt wurde. Die US-Amerikaner Duke Johnson und Charlie Kaufman drehten da mit Puppen, die auf die große Liebe hoffen. Und das tun sie so menschlich und gefühlvoll, dass ihr Schicksal tatsächlich berührt.

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Diese Juryentscheidungen waren mutig, wohl die wenigsten hätten mit dem Goldenen Löwen für Venezuela gerechnet. Dennoch gingen bei den Hauptpreisen die Filme leer aus, die politische Missstände explizit thematisieren. Dazu gehörten etwa die chinesische Dokumentation „Beixi moshuo“ über die Ausbeutung von Minenarbeitern oder „Rabin, the Last Day“ von Amos Gitai über die Ermordnung des israelischen Ministerpräsidenten Izchak Rabin.

Ganz unpolitisch sind die Preise allerdings nicht: Als bester Jungdarsteller wurde der Teenager Abraham Attah aus Ghana geehrt, der in Cary Fukunaga „Beasts of No Nation“ einen traumatisierten Kindersoldaten spielt. Und der Spezialpreis der Jury ging an „Abluka“, in dem Emin Alper eine vom Bürgerkrieg erschütterte türkische Gesellschaft zeigt. „Als wir den Film gedreht haben, schien das eine Dystopie zu sein, aber leider (...) stellt es mittlerweile mehr die Realität dar“, sagte Alper. „Wir müssen unsere Stimme heben für mehr Frieden und Demokratie.“

Beachtet man noch die Doppel-Auszeichnung für die französische Komödie „L'hermine“ von Christian Vincent, die für den besten Schauspieler (Fabrice Luchini) und das beste Drehbuch gewürdigt wurde, spiegeln die Preise auch die Vielfalt des Wettbewerbs wieder. Immerhin bewies Festivalleiter Alberto Barbera gerade in diesem Jahr sein Gespür für die richtige Mischung: Stars wie Johnny Depp, Kristen Stewart, Eddie Redmayne und Mark Ruffalo sorgten für Fanaufläufe am roten Teppich.

Vor allem aber holte Barbera etablierte Filmemacher wie Amos Gitai, Marco Bellocchio oder den früheren Löwengewinner Alexander Sokurow an den Lido und gab gleichzeitig Nachwuchsregisseuren einen Platz im Rampenlicht. Das hat sich ausgezahlt. Allein schon durch die Entdeckung von neuen Talenten wie Lorenzo Vigas.