Schräge Diva Dokudrama über die Sopranistin Florence Foster Jenkins
Berlin (dpa) - Ihre Stimme krächzt, die Koloraturen wackelten wie ein Pudding, ein richtiger Ton ist Glückssache. Und dennoch: Florence Foster-Jenkins, Sopranistin und High-Society-Dame, galt in den 20er und 30er Jahren als Kult-Künstlerin.
Bis heute hält sich der Ruhm dieser großen Unbegabten, die Internet-Videos mit ihrer Originalstimme wurden schon Millionen Male geklickt.
Offenbar ist es Zeit, die Geschichte der Florence Foster Jenkins (1868-1944) neu zu erzählen. Mitte November kommt ein Biopic über sie mit Meryl Streep und Hugh Grant in die deutschen Kinos. Wer vorher etwas mehr wissen möchte, kann schon jetzt mit Ralf Plegers halbdokumentarischem Film „Die Florence Foster Jenkins Story“ in die Welt dieser reichen Exzentrikerin tauchen. Der Film läuft von diesem Donnerstag an in ausgewählten Kinos bundesweit.
Nach seinen filmischen Psychogrammen von Wagner und Tschaikowsky zeichnet Pleger den Lebensweg dieser schrägen Diva mit Spielszenen und Interviews nach - mit der grandiosen Mezzosopranistin Joyce DiDonato in der Titelrolle und der Bestsellerautorin Donna Leon als Koproduzentin.
DiDonato spielt Foster Jenkins, ohne sich beim Singen zu verbiegen - im Gegenteil. Die furiose Sängerin aus Kansas zeigt in den Verdi- und Händel-Arien, warum sie zur Zeit als eine der ganz Großen auf der Opernbühne gilt. Gerade hat DiDonato in ihrer neuen CD „In War and Peace“ mit Barock-Arien die Höhen und Tiefen menschlicher Gefühle durchlotet. In dem Film verkörpert sie so etwas wie Foster Jenkins' innere Stimme.
Denn auf die Ohren der Dame war kein Verlass. In New York hatte sich Foster Jenkins als Wohltäterin und mit einem eigenen Frauenclub als früher Feministin einen Namen gemacht. Ihre Leidenschaft war aber zeitlebens der Gesang. Was und wie sie sang, darüber herrscht unter den Fachleuten weitgehend Konsens, hat sie nie richtig gehört. Die wohl schlüssigste Theorie lautet: Durch die Behandlung einer Syphiliserkrankung mit Quecksilber habe Foster Jenkins einen Teil ihrer Wahrnehmungsfähigkeit einbüßte.
„Wir haben keinen Film über eine schlechte Sängerin gedreht, sondern über einen Menschen, der sich selbst betrügt“, sagt DiDonato. Foster Jenkins, die aus der Kleinstadt Wilkes-Barre in Pennsylvania stammte und nach einer glücklosen Ehe mit dem Arzt Frank Jenkins von Philadelphia nach New York zog, habe der Welt „eine rosa Brille aufdrücken“ wollen.
Narcissa Florence Foster, das Kind aus begütertem Haus, bekam früh Unterricht am Klavier, gegen eine Gesangsausbildung stemmten sich die Eltern - wegen der „entsetzlichen Qualität ihrer Stimme“, wie später ihr Klavierbegleiter Cosmé McMoon berichtete.
In der Tat. Wenn sich Foster Jenkins in Mozarts „Zauberflöten“-Arie „Der Hölle Rache“ bis zum dreifach gestrichenen F hochkämpft, erzeugt das beim Zuhörer eine Mischung aus Entsetzen und Nervenkitzel. Die Besucher in der Carnegie Hall riss das seinerzeit von den Stühlen, viele bogen sich vor Lachen - die damals 76-jährige Foster Jenkins machte unbeirrt weiter.
„Das Lachen bleibt irgendwann im Hals stecken“, sagt DiDonato. „Florence wollte ja niemanden zum Lachen bringen, sondern einfach nur ihren Weg gehen. Sie war kein Comedian, sondern meinte es ernst und sagte sich einfach: 'Das ist mir alles egal.'“ Für Profisänger sei Foster Jenkins ein Lehrbeispiel, sich nicht allzu sehr von der Realität abzukoppeln.
Donna Leon spricht von einem „Paradox“. Als junge Frau habe Foster Jenkins eine seriöse Musikkarriere angestrebt. „Dann kippt das alles plötzlich. Und wir haben keinen Hinweis, ob sie wirklich hörte, was sie sang. Das ist psychologisch faszinierend“, sagte die US-Autorin, die ihre Rolle in dem Film als beratende Gesprächspartnerin von Regisseur Pfleger verstand.
Die heute in der Schweiz lebende Autorin der Venedig-Krimis vom „Commissario Brunetti“ und DiDonato sind schon lange befreundet. Bei der Aufnahme einer CD mit dem damals von Leon geförderten Ensemble „Il complesso barocco“ in Florenz fanden sie bei einem Gespräch über Käse zueinander, berichtete sie. Gerade hat Leon „Ewige Jugend“ veröffentlicht, den 25. Brunetti-Roman.
Aus der Geschichte der Florence Foster Jenkins zieht Donna Leon jenseits aller Tragik auch ein versöhnliches Fazit. Ihre Zeitgenossen, sagt sie, hätten die Sängerin vor sich selber schützen wollen, auch als ein Akt der Liebe bis zur letzten Konsequenz. „Alle machten mit in diesem grandiosen Spiel. Es erinnert mich ein wenig an den Untergang der 'Titanic'.“