Drama in eisigen Höhen
Regisseur Philip Stölzl erzählt hochspannend von der gescheiterten Erstbesteigung der Eiger Nordwand.
Düsseldorf. Als erster die Eiger Nordwand zu bezwingen, das gilt vielen Bergsteigern im Jahr 1936 als größter Traum. Die Nazis stacheln im Jahr der Olympiade zu dieser Höchstleistung an. So strömen die abenteuerlustigen jungen Männer von überall her.
Auch die beiden Berchtesgadener Kletterer Toni Kurz (Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas) wollen ihr Glück versuchen. Ein österreichisches Team unsympathischer Konkurrenten (Georg Friedrich, Simon Schwarz) ist ihnen dicht auf den Fersen. "Das ist ja wie beim Gladiatorenkampf", sagt einer der Schaulustigen, die sich auf der Terrasse eines gegenüberliegenden Hotels versammeln.
Bei der Premiere von "Nordwand" in Lorcarno, wo Regisseur Philip Stölzl und sein Darstellerteam diese "wahre Geschichte" vorstellten, herrschte atemlose Stille. Die 8000 Zuschauer auf der Piazza Grande verfolgten gespannt das hochdramatische Wettrennen in der Wand, den Kampf von Mensch und Natur. Denn bald schon schlägt das Wetter für die Bergsteiger um: Steinschlag, Lawine und Schneesturm lassen die Vierertruppe an ihrer Mission zweifeln.
Als einer von ihnen verletzt wird, versuchen sie umzudrehen, doch der Abstieg gestaltet sich schwieriger als der Aufstieg. Vor allem der Handkamera von Kolja Brandt, die wackelige und grobkörnige Bilder liefert, ist es zu verdanken, dass man die ganze Dramatik hautnah miterlebt.
Stölzl hat das Genre des Bergsteigerfilms, das seit Luis Trenker keine entscheidenden Impulse mehr bekommen hat, erfolgreich wiederbelebt: dank neuester Technik, die eine Ästhetik erzeugt, die sich eher an der modernen Kriegsfotografie orientiert als an rückwärtsgewandter Monumentalinszenierung, aber auch dank eines Drehbuchs, das die propagandistischen Untertöne entlarvt.
Regisseur Philip Stölzl springt in der Erzählung gekonnt hin- und her zwischen dem Drama in der Wand und den Kommentaren der Schaulustigen auf der Terrasse, eine frühe Form des Voyeurismus. Darunter ist auch der Berliner Journalist Henry Arau (aalglatt: Ulrich Tukur) und die Geliebte des Bergsteigers Toni, die Nachwuchsreporterin Luise (Johanna Wokalek).
In ihnen spiegelt sich der Geist der Zeit. Durch Wortgefechte mit einem regimekritischen Industriellen wird deutlich, wie schwer es damals war, eine Haltung zwischen Anpassung und Widerstand zu entwickeln. Die deutschen Bergsteiger, denen die Flachlandtiroler Benno Fürmann und Florian Lukas ein etwas angestrengtes Bayerisch verpassen, bleiben dagegen unpolitische Figuren.
Auch wenn sich Stölzl der wahren Geschichte verpflichtet sieht, macht das Drehbuch Zugeständnisse an den Mainstream. Die hinzu erfundene Liebesgeschichte von Toni und Luise sorgt am Ende für gipfelstürmerische Melodramatik, die der Film gar nicht nötig hätte und die einfach nur stört.
Luise macht sich selbst auf die Suche nach ihrem Geliebten in der Wand, ein unglaubwürdiger Schlenker der Handlung, der die Tragik des Scheiterns letztlich auf ein Herz-Schmerz-Rührstück reduziert.