Ein Straßenjunge aus Kabul bei den Oscars
Kabul (dpa) - Zwei Wünsche hat Fawad Mohammadi für seine Reise in die USA: Er möchte Rambo treffen und Disneyland sehen. Wer den Actionhelden darstellt, weiß er nicht, und auch von dem berühmten Vergnügungspark hat der 14-Jährige nur gehört.
In seiner Heimat Afghanistan ist er Straßenhändler und verkauft in Kabul Stadtpläne, Landkarten und Sprachführer. Aber am Sonntag wird der fröhliche Junge bei der Oscarverleihung in Los Angeles über den roten Teppich laufen, Seite an Seite mit Hollywoodstars: Mohammadi spielt die Hauptrolle im Film „Buzkashi Boys“, der in der Kategorie „Bester Kurzfilm“ nominiert ist.
Der knapp 30 Minuten lange Streifen von Regisseur Sam French wird gelobt für das düstere, schöne Porträt, das er von Kabul zeichnet. Er ist Teil eines Filmprojekts in Afghanistan, das Filmemacher ausbildet. Nach Jahrzehnten der Kriege und einem Filmverbot der Taliban von 1996 bis 2001 ist die Filmindustrie in Afghanistan klein und wenig entwickelt.
„Buzkashi Boys“ erzählt von der Freundschaft zweier Jungen aus armen Verhältnissen und von ihrer Begeisterung für Buzkashi, ein traditioneller afghanischer Reitsport. „Der Film soll zeigen, dass Afghanistan nicht nur ein vom Krieg zerstörtes Land ist, es ist ein Land voller Geschichte und Kultur“, sagt Mohammadi. Regisseur French ist für ihn ein Genie, das aus einem Straßenjungen einen Schauspieler gemacht habe.
„Ich kann nicht erklären, wie sich das angefühlt hat, als ich gehört habe, dass der Film für den Oscar nominiert ist. Ich war sehr aufgeregt und mir sind Tränen übers Gesicht gelaufen“, sagt der junge Darsteller mit den strahlenden grünen Augen. „Das ist eine Chance, die Allah mir gegeben hat. Ich bin wohl der größte Glückspilz unter den Kindern, die auf der Chicken Street arbeiten.“ Die berühmte Chicken Street im besseren Teil Kabuls ist voll von Läden, die Teppiche, Tücher, Edelsteine und Antiquitäten verkaufen.
Er habe schon immer daran geglaubt, dass er eines Tages reich sein werde, erzählt der 14-Jährige. Aber in einem Film zu spielen, das sei ihm nie in den Sinn gekommen. Jetzt will er Schauspieler werden - und Pilot. Auf seiner Reise in die USA sitzt er zum ersten Mal in einem Flugzeug.
Mohammadi ist der jüngste von sieben Geschwistern, sein Vater starb vor etwa fünf Jahren. „Wir wissen nicht, warum er gestorben ist, aber er hat viel gehustet.“ Zwei Brüder sind bei der Polizei. Die Familie stammt aus der benachbarten Unruhe-Provinz Parwan. Er habe Angst, sein Heimatdorf zu besuchen, weil es dort zu unsicher sei, sagt Mohammadi. Nachts seien die Taliban unterwegs. In den USA bleiben wolle er aber nicht, auch wenn viele ihm dazu rieten. „Ich will hier sein. Und wenn jemand mir helfen will, soll er oder sie mir hier helfen.“
In Kabul ist der junge Schauspieler inzwischen so etwas wie ein Star. Dennoch verkauft er noch manchmal Stadtpläne auf der Straße. „Jetzt kennen mich auf der Chicken Street viele Leute. Sie kommen und machen Fotos mit mir“, erzählt er. Sein Freund Enayatullah Ishanzada findet, dass Mohammadi der Ruhm nicht zu Kopf gestiegen ist. „Wir sind seit fünf Jahren befreundet“, sagt er. „Er ist noch der Alte.“
Von Hares Kakar und Subel Bhandari, dpa