Filmfestival Familie und Freiheit: Starker deutscher Auftritt in Locarno

Locarno (dpa) — Der Auftakt ist gelungen: Gleich zu Beginn hat das Filmfestival Locarno starke Filme gezeigt. Dabei kam auch der deutsche Wettbewerbsbeitrag gut beim Publikum an.

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Das Familiendrama „Freiheit“ von Regisseur Jan Speckenbach erzählt die verschachtelte Geschichte einer 40-Jährigen, die scheinbar völlig überraschend ihren Mann und ihre zwei halbwüchsigen Kinder verlässt.

In der Hauptrolle als Nora begeistert dabei Johanna Wokalek („Die Päpstin“) mit einer sensiblen Charakterstudie. Ihre zugleich von Wucht und Fragilität gezeichnete Präsenz prägt den Film wesentlich, ist dessen A und O. Die gefeierte Schauspielerin kam mit dem Regisseur und anderen Beteiligten am Mittwoch zur Vorstellung des Films nach Locarno.

Auf die Frage, was es ihr bedeute, „Freiheit“ am Lago Maggiore zu präsentieren, sagte Johanna Wokalek der Deutschen Presse-Agentur: „Als Team sind wir ja auch so was wie eine Rudermannschaft. Und wenn wir nun hier an den See eingeladen sind, ist es selbstverständlich, dass wir uns alle gemeinsam ins Zeug legen.“ Der Regisseur Jan Speckenbach schwärmte: „Es ist unfassbar. Für einen anspruchsvollen Arthouse-Film wie unseren, ist das Festival von Locarno das pure Glück.“

„Freiheit“ gehört zu den vielen Festival-Filmen, die sich mit dem Thema Familie auseinandersetzen. Dabei geht es vor allem um das In-Frage-Stellen traditioneller Strukturen des Zusammenlebens. Die beim Festival am Schweizer Ufer des Lago Maggiore vertretenen überwiegend jungen Filmemacher sehen darin offenbar eines der derzeit wesentlichen gesellschaftspolitischen Themen in der so genannten westlichen Welt.

Im Wettbewerb um den Hauptpreis, den Goldenen Leopard, beeindruckte neben „Freiheit“ die dänisch-isländische Produktion „Winterbrüder“. Familienfragen dominieren auch hier. Der Regisseur Hlynur Pálmason erzählt eine kühle, von Gewalt geprägte Geschichte zweier ungleicher Brüder. Auch der außerhalb des Wettbewerbs gezeigte Eröffnungsfilm „Morgen und alle anderen Tage“ der Regisseurin Noémie Lvovsky (Frankreich) beleuchtet das Thema Familie. Allerdings setzt die Mutter-Tochter-Saga auf leichte, oft märchenhafte Töne.

Einen ersten Höhepunkt im Programm der Filme, die zwar außerhalb aller Wettbewerbe, aber mit Chance auf den Publikumspreis vor Tausenden Zuschauern in Freiluftaufführungen auf der Piazza Grande laufen, setzte Frankreich: In „Lola Pater“ („Vater Lola“) des Regisseurs Nadir Moknèche bezaubert die Star-Aktrice Fanny Ardent („Acht Frauen“) als nicht mehr ganz junge Frau, die einmal ein Mann war. Was den erwachsenen Sohn, der den eigenen Vater Jahrzehnte nicht gesehen hat, dazu bringt, seine Sicht auf die Welt in Frage zu stellen.

Auch Fanny Ardent, die Muse des legendären Regisseur François Truffaut, ließ es sich nicht nehmen, ihren neuen Film auf dem Jubiläumsfestival selbst vorzustellen. Unter den Palmen des von mittelalterlichen Bauten geprägten Touristenortes in der italienischsprachigen Schweiz schwärmte sie: „È fantastico! Locarno bietet dem besonderen Film eine tolle Tribüne. Das ist großartig. Denn das Besondere hat es doch oft recht schwer.“