Film: Hexen haben was zu sagen

Hauptfiguren der Sorte „jung, attraktiv, übersinnlich“ haben seit Jahren Konjunktur. Doch in „Beautiful Creatures“ ist vieles anders.

Auf den ersten Blick sieht Richard LaGraveneses „Beautiful Creatures” aus wie ein typisches Trittbrettfahrer-Projekt. Allzu viel scheint man aus der erfolgreichen „Twilight“-Reihe oder der Verfilmung von Kerstin Giers „Rubinrot“ schon zu kennen. Schließlich geht es auch hier um die Liebesanbahnungsprobleme zwischen normalsterblichen und übernatürlich veranlagten Teenagern.

Allerdings entwickelt LaGravenese, der mit „Sixteen Moons“ den ersten der vier Bände der Fantasyreihe von Kami Garcia und Margaret Stohl opulent verfilmt hat, daraus kein ausuferndes Triebstaudrama mit wertkonservativer Ideologie, sondern eine lebendige Lovestory, in der sich die Gefühle über alle Unterschiede hinweg ihren Weg bahnen.

Im Gegensatz zu „Twilight“ besitzt hier das Mädchen die übernatürlichen Kräfte. Lena (Alice Englert, die Tochter von „Das Piano“-Regisseurin Jane Campion) ist eine Hexe, auch wenn ihre Familie den Terminus „Caster“ bevorzugt. An ihrem bevorstehenden 16. Geburtstag — so will es das Fantasy-Regelwerk — entscheidet sich in einem komplizierten Ritual, ob sie auf die helle oder auf die dunkle Seite der Magie wechselt. Keine guten Voraussetzungen für eine stabile Liebesbeziehung, aber der ideale Nährboden für romantische Verwirrungszustände, die auf der Leinwand viel unterhaltsamer sind.

An ihrem ersten Tag in der High-School trifft Lena auf Ethan (Alden Ehrenreich), der sie im Gegensatz zu den anderen Mitschülern nicht als verschrobene Satanistin abkanzelt, sondern dankbar ist für jede Abweichung von der provinziellen Normalität in dem spießigen Südstaaten-Städtchen. Wie anders Lena ist, ahnt er da noch nicht.

Deren Onkel Macon (Jeremy Irons) versucht den sterblichen Bewerber mit allerlei parapsychologischen Hokuspokus in die Flucht zu schlagen, aber Ethan kämpft hartnäckig um das Herz seiner Angebeteten.

Weil das Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern hier konträr zu den Rollenklischees verläuft, kommt diese Geschichte um eine ungleiche Liebe deutlich entspannter und vor allem humorvoller daher als das überhöhte romantische Gezerre zwischen Bella und Edward in „Twilight“. Mit Alice Englert und Alden Ehrenreich wurden zwei junge Hauptdarsteller gefunden, die ihren Figuren im Fantasy-Kosmos des Films eine glaubwürdige emotionale Bodenhaftung verleihen. Als echte Rampensau darf sich die fabelhafte Emma Thompson in der Rolle der bösen Hexenmutter ausleben, die mit Verve gegen ihre elterlichen Fürsorgepflichten verstößt. „Liebe“ sagt sie „ist ein Fluch, den die Menschen erfunden haben, damit die Frauen mit etwas anderem spielen als mit ihrer eigenen Macht“ — ein Satz, der im erzkonservativen Twilight-Universum niemals hätte ausgesprochen werden dürfen.