Film- und Theaterregisseur Patrice Chéreau gestorben
Patrice Chéreau wurde mit seinen Inszenierungen zum Jahrhundertregisseur und für seine Filme mit Preisen überschüttet. Dennoch war der Franzose ein Zweifler und Pessimist.
Paris (dpa) — Patrice Chéreau galt schon früh als Wunderkind der französischen Kulturszene. Bereits mit 19 Jahren war er der jüngste Theaterregisseur des Landes, mit 22 Theaterleiter und als knapp 32-Jähriger sorgte er mit seiner mittlerweile legendären „Ring“-Inszenierung in Bayreuth für ein kulturelles Jahrhundertereignis. Auch als Cineast setzte er Maßstäbe und ging mit Werken wie „Die Bartholomäusnacht“ mit Isabelle Adjani und dem Berlinale-Gewinner „Intimacy“ in die Annalen der Filmgeschichte ein. Dennoch zweifelte der Franzose an seinen Qualitäten: „Ich habe nie das Gefühl, dass das, was ich mache, geglückt ist“, sagte Chéreau einst. Nun ist der Regisseur am Montag im Alter von 68 Jahren in Paris an Lungenkrebs gestorben.
„Es gibt viele Dinge, die ich gerne gemacht hätte und die ich niemals machen werde, wie Musiker sein, Choreograf oder Schriftsteller“, gestand der Franzose. „Da ich all das nicht kann, benutze ich die Musik der anderen, die Choreografien der anderen und die Romane, die ich niemals schreiben werde.“ Chéreau war ein Pessimist und Fatalist. Auch sich selbst fand er überhaupt nicht sympathisch. „Ich hasse es, in den Spiegel zu sehen.“
Chéreaus Karriere erstreckte sich über vier Jahrzehnte: Im Alter von 15 Jahren wirkte er in einem Amateurtheater in Paris, nur vier Jahre später inszenierte er seine erste Oper. Seinen internationalen Durchbruch schaffte er einige Zeit später mit seinem „Ring des Nibelungen“ zum 100-jährigen Bestehen der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth 1976. Seine moderne Inszenierung zeigte Götter als gewöhnliche Menschen und die Rheintöchter als aufreizende Dirnen - ein Skandal, die Premierengäste tobten. Doch vier Jahre später wurde Chéreaus „Ring“ stürmisch bejubelt: Es gab bis heute nicht überbotene 90 Minuten Ovationen.
Von Mozart, Shakespeare bis Alban Berg: Chéreau brachte Meisterwerke der Musikgeschichte auf die Bühne. Trotz seiner Krankheit, gegen die er seit zwei Jahren kämpfte, arbeitete Chéreau lange weiter. Erst vor wenigen Monaten wurde er im Juli auf dem Festival im südfranzösischen Aix-en-Provence für seine Neuinszenierung der „Elektra“ von Richard Strauss gefeiert.
Als Filmregisseur schaffte Chéreau seinen Durchbruch 1975 mit dem Krimi „Das Fleisch der Orchidee“, dessen Drehbuch er auch schrieb. Zu seinen größten Leinwanderfolgen gehört aber „Die Bartholomäusnacht“ mit Isabelle Adjani in der Hauptrolle. Chéreau sparte in dem vielfach ausgezeichneten Historiendrama von 1994 voller Intrigen und sexueller Exzessen nicht mit brutalen Gemetzelszenen und Blut.
Für viel Aufsehen sorgte auch sein preisgekrönter Film „Intimacy“, der von einer Beziehung handelt, bei der es nicht um Gefühle geht, sondern nur um Sex. Für das Drama gewann Chéreau 2001 auf der Berlinale den Goldenen Bären. Zwei Jahre später wurde er für Drama „Sein Bruder“ mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet.
In seinen Filmen und Inszenierungen überschritt Chéreau immer wieder Grenzen, Konventionen, Normen und Denkmuster. Seine Bilder waren oft düster, von radikalem Pessimismus und teilweiser Emotionslosigkeit geprägt - sie spiegelten das Wesen des Regisseurs wider: Er hasse Sentimentalitäten und glaube nicht, dass man glücklich sein könne, sagte der Regisseur einst.