Filmfestival-Chef: Newcomer brauchen mehr Unterstützung
Mannheim (dpa) - An diesem Donnerstag (31. Oktober) beginnt das 62. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Die Nachrichtenagentur dpa hat mit Festivaldirektor Michael Kötz gesprochen - über die Qualität der Werke unbekannter Filmemacher und den Einheitsbrei des Mainstream-Kinos.
Frage: Der Fokus Ihres Festivals liegt ja auf den Filmen unbekannter Regisseure. Wie unterscheiden diese sich von den Werken etablierter Regisseure?
Antwort: Sie unterscheiden sich nicht, auch nicht in der Qualität. Es ist natürlich so, dass die Filme bekannter Kollegen leichter verkäuflich sind. Das ist ein Effekt des normalen Kinos: Da geht es um gehypte Sachen durch bekannte Namen, das haben Newcomer nicht zu bieten. Aber sie können hervorragende erste Filme machen, richtige kleine Meisterwerke.
Frage: Das heißt, die Qualität kommt nicht erst mit der Erfahrung, sondern ist bei vielen schon ganz am Anfang da?
Antwort: Es gibt bei Erstlingswerken ein interessantes Phänomen: Da geht manchmal die ganze Kindheit in den ersten Film. Da werden echte persönliche Probleme verarbeitet - wenn es persönliches Kino ist und kein kommerzielles Kino. Das führt manchmal - nicht immer - zu einer großen Wucht und Qualität.
Frage: Wie leicht ist es denn für Newcomer, nach dem ersten Film in der Branche Fuß zu fassen?
Antwort: Nach dem ersten Film kommt ein großes Loch. Dann muss aus diesem jungen Mann oder dieser jungen Frau ein Profi werden - die Künstler fangen dann im Grunde wieder von vorn an. Unterstützung kriegen sie dabei in der Regel nicht.
Frage: Woran liegt das?
Antwort: Die jungen Künstler brauchen an diesem Punkt eigentlich die Geduld und Fürsorge der Produzenten, der Geldgeber. Und das ist in unserem Wirtschaftssystem Mangelware. Da werden sehr oft Newcomer eher verheizt als gepflegt und aufgebaut. Das ist ein weltweites Phänomen.
Frage: Sie sehen Ihr Festival als einen Gegenpol zum Mainstream-Kino. Was stört Sie am Mainstream?
Antwort: Es ist einfach eine Verdummung des Publikums. Es wird gewöhnt daran, im Grunde immer denselben Film, immer dieselbe Erzählstruktur, dieselben Muster zu sehen. Das ist wie in einer Monokultur, eine Art sinnlicher Verarmung. Manchmal ganz hervorragend gemacht, aber eben immer dasselbe. Armut mitten im Reichtum.
Frage: Sehen Sie bei den jungen Regisseuren denn überhaupt das Bedürfnis, unabhängige Filme zu machen, oder reizt viele nicht gerade die Aussicht, mit Mainstream das große Geld zu machen?
Antwort: Wenn es Künstler sind, wollen sie erst in zweiter Linie Geld machen. In erster Linie wollen sie sich ausdrücken, so wie gute Schriftsteller oder Musiker. Es gibt kaum noch junge Künstler, die nur aufs Geld schielen und kommerziell sein wollen. Es gibt viel mehr junge Regisseure, die ihr eigenes Ding machen und ihre eigene Geschichte erzählen wollen. Leider markiert dieser ganze Bereich vom Umsatz her aber nur 10 Prozent der Filmwelt, 90 Prozent ist kommerziell.
Frage: Wie sehen Sie denn vor diesem Hintergrund die Aufführungsmöglichkeiten für diese Filme? In vielen Städten macht ein Programmkino nach dem nächsten dicht.
Antwort: Das Kino ist längst nicht mehr die einzige Stelle, an der Filme ans Publikum kommen. Die zahlreichen Produktionen anspruchsvollen Kinos, die es jedes Jahr gibt, finden ihr Publikum aber trotzdem - zum Beispiel im Internet. Oder auf den zahlreichen Festivals - nämlich in einem großen dunklen Saal für alle. Danach sehnen sich die Menschen.