Filmfestival Venedig: Von der Croisette an den Lido
Rom/Venedig (dpa) - Das Filmfestival Venedig ist das älteste im Reigen der drei großen europäischen Festivals, und der Lido kommt - nach Berlin und Cannes - als letzter vor dem Rennen um die Golden Globes und den begehrten Oscar an die Reihe.
Immer wieder mal ist von einer Konkurrenz Venedigs vor allem mit dem glamourösen und führenden Filmfestival von Cannes an der Côte d'Azur die Rede - zumal dann, wenn Filme bis zum Festival auf der Croisette noch nicht fertig waren und dann also das Programm des künstlerischen Direktors Marco Müller am Lido zieren konnten. Großer Nachteil für das Kinofest der Lagunenstadt, das an diesem Mittwoch beginnt: Der legendäre Lido ist doch ein Stück weit heruntergekommen, und das Festival seit Jahren eine große Baustelle.
Den Auftakt zur Starparade von Venedig (31. August bis 10. September) macht Hollywoodstar George Clooney, nahezu ein Dauergast, mit seinem mit Spannung erwarteten Streifen „The Ides of March“. Das Filmfestival mit der Vergabe der Goldenen Löwen ist vor allem eine große Inszenierung, dabei für die angereisten Filmkritiker etwas weniger hektisch und stressig als das Treffen der Stars und der Sternchen im Mai auf der Croisette in Cannes. Was aber ganz erheblich Venedig von Cannes - und auch von Berlin im Februar - unterscheidet, das ist dieses: Hier geht es allein um Filmkunst, es gibt nicht den großen Filmmarkt, der gerade an der Azurküste viel Kommerz bedeutet.
„Venedig wie Hollywood“, so machte die römische „La Repubblica“ bereits den stärksten Akzent des traditionell allerdings auch stark auf die asiatischen Filme ausgerichteten Festivals aus. Gemeint ist nicht nur, dass die Neue Welt wieder einmal mit fünf US-Streifen so massiv ranklotzen darf. Auch auf dem roten Teppich wird sich dieses offenbaren: Eine schier unendliche Reihe von Stars hat sich angesagt, darunter Diven wie Madonna, Kate Winslet, Jodie Foster sowie Gwyneth Paltrow und auch Keira Knightley - die Filme im 68. Wettbewerb um den begehrten Goldenen Löwen von Venedig sind gespickt mit großen Namen.
„La Repubblica“ hebt hervor, dass zumindest die „Sala Grande“, der große Saal des Festivals, in diesem Jahr nach der Restaurierung nun „splendid“ sei. Also doch Konkurrenz zu Cannes? Von einer Kulisse mit dem blauen Mittelmeer als Hintergrund können beide profitieren. Und beide haben eine große Zeit - in den 1950er und 1960er Jahren - hinter sich, wie der europäische Film überhaupt.
Im übrigen versteht Venedigs Marco Müller seine Filmauswahl immer auch als eine Art Vitrine mit einem möglichst breiten internationalen Spektrum. Wenngleich die Sieger in der jüngsten Zeit fast überwiegend US-Filme waren - von Darren Arononfsky über Sofia Coppola bis hin zu Ang Lee, der sich 2005 mit dem Schwulen-Western-Melodram „Brokeback Mountain“ als US-Film am Lido durchsetzte. Auch Jury-Präsidenten wie Quentin Tarantino 2010 und Arononfsky in diesem Jahr setzen doch oft einen amerikanischen Akzent.
Dass ein Michael Moore sich mit einer Polit-Polemik (Goldene Palme für „Fahrenheit 9/11“) gegen den damaligen US-Präsidenten George W. Bush so wie in Cannes auch in Venedig hätte durchsetzen können, ist dabei aber ziemlich unwahrscheinlich. Das alte Festival der Biennale von Venedig, mit Unterbrechungen seit dem Jahr 1932 ein Treffen der Filmwelt, setzt da doch gern andere, auch nicht immer unumstrittene Schwerpunkte - und seinen Goldenen Löwen gegen die Palme der Franzosen.