Glamour gegen die Rezession

Oscars: „Slumdog Millionär“ ist der große Oscar-Gewinner. „ Baader-Meinhof-Komplex“ ging leer aus. Deutschen Jubel gab es trotzdem.

Düsseldorf. Not macht erfinderisch. Selbst in Hollywood. Seit Wochen wurde spekuliert, wie die Organisatoren der Oscar-Show auf die Wirtschaftskrise reagieren. In der Nacht zu Montag kam die Antwort - und wäre das Rheinland von Kalifornien nicht so weit entfernt, könnte man meinen, in der Traumfabrik herrsche Karneval. Diesjähriges Motto: Wir lassen uns das Feiern nicht verbieten.

Die Stars präsentierten auf dem Roten Teppich stolz ihre Designer-Garderoben. Und im Bühnenraum des Kodak-Theaters funkelten 100000 zu einem Vorhang verwebte Swarovski-Steine. Die Rezession wollte man, um im Jecken-Jargon zu bleiben, lieber nicht reinlassen. Sie diente nur während des Auftakts der Gala als Stichwortgeber für einige selbstironische Bonmots. Dazu passend sang sich Moderator Hugh Jackman, von Haus aus eigentlich Schauspieler, durch eine charmante Nummernrevue, in der die nominierten Filme mit Pappmaché-Kulissen nachgestellt wurden. Sollte heißen: Wir könnten auch billig - wenn wir wollten!

Die einzige Losung der Krise allerdings, an die sich Hollywood halten wollte, war, wieder enger zusammen zu rücken. Im lauschigen Rund saßen die Nominierten beisammen und ließen sich von den Laudatoren noch überschwänglicher als sonst würdigen. Für die Darstellerkategorien kamen sogar je fünf ehemalige Preisträger auf die Bühne, die als Paten den fünf Nominierten das Gefühl gaben: Ihr seid alle Gewinner! Letztlich konnte es pro Kategorie aber nur einen geben. Überraschungen waren dabei selten: Der im Januar 2008 28-jährig verstorbene Heath Ledger erhielt postum einen Oscar als bester Nebendarsteller für seinen Parforceritt in "Dark Knight".

Den Preis nahm seine Familie in Empfang. Penelope Cruz wurde mit ihrem furiosen Auftritt in Woody Allens "Vicky Cristina Barcelona" beste Nebendarstellerin. Und für das beste Original-Drehbuch prämierte man Dustin Lance Black, der die Lebensgeschichte des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk kongenial zu einer politischen Lehrstunde komprimiert hat.

Mit dem Preis für das beste adaptierte Skript setzte dann der Oscarregen für "Slumdog Millionär" ein. Damit, dass Danny Boyles Underdog-Märchen bester Film würde, hatte jeder gerechnet. Dass er sich allerdings mit letztlich acht Auszeichnungen klar gegen seinen schärfsten Konkurrenten, "Der seltsame Fall des Benjamin Button", durchsetzen würde, erstaunte dann doch. Ein unabhängig produzierter, britischer Streifen bot damit den großen amerikanischen Studiowerken die Stirn. Oder, um in den Denkmustern der Academy zu bleiben: Der schmuddelige Außenseiter aus dem Elendsviertel erhält durch den Oscar den letzten Glamour-Feinschliff!

Den hatte Kate Winslet nicht nötig. Souverän nahm sie den Oscar für ihre Rolle als Ex-KZ-Aufseherin Hanna Schmitz in der Verfilmung von Bernhard Schlinks "Der Vorleser" entgegen. Ihr Gewinn ist auch ein deutscher Erfolg. Etliche hiesige Fördereinrichtungen, darunter die Filmstiftung NRW, waren am "Vorleser" beteiligt. Gedreht wurde fast ausschließlich vor Ort. Und neben Winslet spielt die erste Garde heimischer Mimen von Bruno Ganz über Hannah Herzsprung bis David Kross.

Weiterer deutscher Jubel erklang ausgerechnet dort, wo ihn niemand vermutet hatte. Der Berliner Jochen Alexander Freydank gewann mit seinem Kurzfilm "Spielzeugland". Leer gingen hingegen die deutschen Stars aus: Werner Herzog unterlag in der Kategorie "Dokumentation" und Bernd Eichingers "Der Baader-Meinhof-Komplex" musste sich dem japanischen Drama "Okuribito" geschlagen geben.

Dieser Oscar war eine der wenigen Überraschungen. Haushoher Favorit als bester ausländischer Film war eigentlich die animierte Kriegs-Doku "Waltz with Bashir". Eine weitere Überraschung kam kurz vor Schluss, als Sean Penn ("Milk") nach 2002 bereits zum zweiten Mal als bester Darsteller auf die Bühne gerufen wurde,. Die Buchmacher hatten Mickey Rourke vorne gesehen, der in "The Wrestler" einen abgehalfterten Show-Kämpfer mit Comeback-Ambitionen spielt.

Der Academy war Rourkes Biografie wohl zu nahe an seiner Rolle, da auch er in den vergangenen 15 Jahren eher durch Drogendelikte als mit Schauspielkunst aufgefallen war. Vielleicht hätte sein von Schönheits-OPs und Exzessen gezeichnetes Gesicht auch nicht in den makellosen Ablauf dieser hochglanzpolierten Gegen-Rezession gepasst.

Wobei die Entscheidung Hollywoods, sich zum Prunk zu bekennen, richtig war. Nichts wäre unehrlicher gewesen als zurückhaltend gekleidete Stars mit Leichenbittermiene. Stattdessen zieht die Filmbranche aus der Krise neues Selbstvertrauen. Und plötzlich ist selbst die Zeremonie wieder viel unterhaltsamer.

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