Grusel, Sex, Gewalt: Viele Filme dürfen Kinder dennoch sehen
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft bestimmt, ab welchem Alter Leinwandwerke freigegeben werden. Manche Entscheidung verwundert etwas.
Wiesbaden. Wenn sich Lord Voldemort auf der Kinoleinwand auf Leben und Tod mit Harry Potter duelliert, stockt so manchem Erziehungsberechtigten der Atem. Denn fast alle „Potter“-Filme sind ab zwölf Jahren freigegeben — und das, obwohl es darin in Sachen Grusel und Gewalt ganz schön zur Sache geht.
Folker Hönge ist einer, der für solche Altersfreigaben mitverantwortlich ist. Er weiß nie, was der Tag bringt. Wenn der Prüfer der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) bei der Arbeit erscheint, ist die Wundertüte noch fest verschlossen.
Geöffnet wird sie erst im Vorführraum: Kann sein, dass jetzt der neueste Hollywood-Blockbuster mit Matt Damon gezeigt wird. Möglich, dass er sich einen Sadisten-Schocker der „Saw“-Reihe oder einen harmlosen Trickfilm für Kinder ansehen muss. So oder so, eines ist klar: Hönge muss.
260 ehrenamtliche Prüfer sind bei der FSK in Wiesbaden damit beschäftigt, Filme unter die Lupe zu nehmen, die ins Kino oder die Videotheken kommen. In Ausschüssen sitzen sie jeweils zu fünft zusammen und entscheiden darüber, welche Altersfreigabe der Film bekommt.
Das ist nicht immer einfach, vor allem aber sind nicht immer alle einer Meinung. Häufig erreichen die FSK auch Klagen besorgter Eltern oder Pädagogen, die einzelne Entscheidungen für falsch halten — wie eben bei „Harry Potter“.
Die Fragen der Prüfer sind an jeden Film dieselben: Können Zwölfjährige die Handlung verarbeiten? Entwickeln sie ausreichend Distanz zum Film, um ihn unbeschadet sehen zu können?
„Bei der Entscheidung zu ,Harry Potter’ hat eine große Rolle gespielt, dass die meisten Kinder diese Welt sehr gut kennen“, sagt FSK-Geschäftsführerin Christiane von Wahlert. „Zudem gibt es immer ein Happy End — und der Ausschuss hat stets die Gesamtwirkung eines Films im Blick, nicht nur einzelne Szenen.“
Schwierig war auch die Entscheidung über die Altersfreigabe von „Schindlers Liste“, sagt Folker Hönge. Im Film erschießt ein KZ-Kommandant vom Balkon aus ein paar Internierte, nur so zum Spaß. In Auschwitz wird die Vergasung von Millionen Juden angedeutet, die Bilder von Verrohung und Gewalt sind drastisch.
Doch die FSK gab den Film für Kinder ab zwölf Jahren frei. „Das wurde damals heftig diskutiert“, sagt Hönge. „Aber in dem Alter ist der Holocaust Thema in der Schule, und die Seriosität des Films ist absolut gegeben.“
Verena Weigand leitet die Stabsstelle der Kommision für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten. „Filme lösen bei Kindern vor allem dann Angst aus, wenn das Umfeld sehr realistisch ist — sie also das Gefühl haben, dass ihnen das auch passieren könnte“, sagt sie.
Genau das sei aber beispielsweise bei den umstrittenen „Harry Potter“-Filmen nicht der Fall, argumentiert Christiane von Wahlert. Allen Zuschauern sei klar, dass es sich um eine reine Fantasie-Welt handle.
„Man muss aber auch klar sehen, dass wir keine Empfehlungen für Filme aussprechen“, sagt sie. „Nur weil wir ihn zum Beipiel ab zwölf freigeben, weil er nicht jugendbeeinträchtigend ist, heißt das nicht, dass er unbedingt auch für Zwölfjährige geeignet ist.“
Ein gutes Beispiel dafür sind die „American Pie“-Filme: Im ersten Teil beschließen ein paar pubertierende Jungs, bis zum Abschlussball ihre Unschuld zu verlieren. Die schlüpfrige Teenie-Komödie können sich Zwölfjährige nach Meinung der FSK ansehen, ohne Schaden zu nehmen — der Film komme „ohne Gewalt und explizite Sexszenen“ aus. Ob die Handlung aber unbedingt für Zwölfjährige geeignet ist, steht auf einem anderen Blatt — und mit dem hat die FSK nichts zu tun.