Heirat für 30 Minuten - Film über iranische Zeitehe

Köln (dpa) - „Wann läuft deine Ehe aus?“, fragt eine Iranerin ihre Freundin. „Ach, ich hab nur noch drei Monate“, kommt als Antwort. Im Iran können Paare eine Zeitehe schließen - für 50 Jahre oder auch nur für eine halbe Stunde.

Das empfiehlt sich unter Umständen, denn außerehelicher Sex kann mit Peitschenhieben bestraft werden. Der Dokumentarfilm „Im Bazar der Geschlechter“, der jetzt in 35 deutschen Programmkinos anläuft, zeigt die Realität dieser uralten bizarren Institution.

Obwohl immer wieder Tragödien sichtbar werden, ist der Film unterhaltsam - bei der Premiere am Mittwochabend in Köln wurde ständig gelacht. Zum Beispiel bei einer Szene zu Anfang, in der ein Mullah mit Vollbart und Turban darüber doziert, welche Sexpraktiken in der Zeitehe unter welchen Umständen erlaubt sind, wobei er sich verlegen hinterm Ohr kratzt und ein zahnloses Lächeln sehen lässt.

Die ganz normalen Iraner und Iranerinnen kommentieren ihren nicht immer einfachen Alltag mit trockenem Humor. Ein alleinstehender Taxifahrer, der verzweifelt eine Mietwohnung sucht - Junggesellen werden fast nie akzeptiert - antwortet auf die Frage, wie viele Kinder er habe: „Ich hab noch nicht mal die Mutter dafür.“

Bei einem Mullah beschwert er sich darüber, dass Iranerinnen in größter Hitze lange Gewänder tragen müssen, während sich die Frauen im Ausland nackt an den Strand legen und gleichwohl in den Himmel kommen können, nämlich als Christen oder Juden: „Das ist doch unfair.“ Allein für solche Momente lohnt sich der Film, weil sie das westliche Klischee eines Landes voller Extremisten aufbrechen.

Die Regisseurin Sudabeh Mortezai, eine Österreicherin mit iranischen Wurzeln, enthält sich in dem 84-Minuten-Film jedes Kommentars. Sie lässt die Protagonisten einfach über die Zeitehe reden und begleitet sie in verschiedenen Situationen.

Zum Beispiel ist sie dabei, wenn ein Paar in einem Heiratsbüro eine neue Zeitehe für ein Jahr abschließt - eine denkbar nüchterne Prozedur, in deren Verlauf der Mann darüber aufgeklärt wird, dass er nach islamischem Recht vier normale Ehen und eine unbegrenzte Zahl von Zeitehen eingehen kann, sofern er das Geld hat, um für die Frauen zu sorgen. Dann füllt der Beamte rasch noch zwei Formulare aus und raunzt pflichtschuldig: „Gratuliere.“

Ein Großajatollah klagt, die iranischen Frauen seien bedauerlicherweise krankhaft eifersüchtig, so dass sie dem Mann die wohlverdiente Vielehe missgönnten. Wie viel besser hätten es da die Männer in Saudi-Arabien: Wenn eine Frau krank werde, sprängen gleich drei andere ein. Die Zeitehe - das wird auch ohne Kommentar deutlich - ist kein Ausweis von Liberalität, sondern Teil des repressiven Systems in einem Gottesstaat, der auch eine Diktatur der Männer darstellt. Viele Frauen, die sich für eine solche Beziehung entscheiden, tun dies aus wirtschaftlicher Not. Sie sind Mätressen, die für eine bestimmte Zeit Sex gegen „Brautgeld“ tauschen.

Auf frappierende Weise führt der Film die brüchig gewordene Autorität der Mullahs und das Selbstbewusstsein iranischer Frauen vor Augen. Als ein Geistlicher in einem Restaurant essen geht, macht sich eine Gruppe von Frauen am Nebentisch lauthals über ihn lustig. „Nein, die Szene ist nicht gestellt“, betont Mortezai. Von einem 20 Jahre alten Blogger muss sich der Mullah vorhalten lassen, die Jugend halte sich beim Sex schon lange nicht mehr an die Regeln. „Was schlecht ist für die Frauen, ist auch schlecht für die Männer“, herrscht er den Geistlichen an, worauf ihn dieser seufzend fragt, ob er eigentlich noch auf Seiten der Männer stehe.

„Die große Mehrheit der Bevölkerung ist keineswegs mehr streng religiös und wünscht sich eine Trennung von Religion und Staat“, sagt Mortezai. Das ist in der Tat der Eindruck, den ihr Film vermittelt.