Lars von Trier mit „Nymphomaniac“ stürmisch gefeiert
Berlin (dpa) - Viel Sex, etwas intellektuelles Futter und dazu Musik von Rammstein: Für sein Kinoepos „Nymphomaniac Volume I“ ist Lars von Trier („Breaking the Waves“, „Dancer in the Dark“) auf der Berlinale lautstark gefeiert worden.
Ein Skandal, wie ihn der Regisseur 2011 in Cannes mit Nazi-Äußerungen losgetreten hatte, blieb in Berlin aus. Der in Vorberichten teilweise als Hardcore-Porno angekündigte Film erwies sich eher als Erbauungsgeschichte - die Zuschauer feierten den Dänen am Sonntagabend mit langem Applaus und Ovationen.
Nach den ersten knapp zweieinhalb Stunden des Psychodramas aus Sucht, Selbsthass und Begierde hechtete von Trier auf die Bühne im Berlinale-Palast, winkte in den Saal und rief dann sofort die anwesenden Darsteller zu sich auf die Bühne. Charlotte Gainsbourg, die in dem Film als mittlerweile 50-jährige Joe ihre Lebensgeschichte als Sexsüchtige dem Unbekannten Seligman (Stellan Skarsgård) offenbart, war nicht zur Weltpremiere gekommen.
So erweist sich Stacy Martin in der Rolle der jungen Joe als der Star des Abends. Mit irritierender Gleichgültigkeit gibt sie sich der Sucht hin, nur selten schimmert etwas Lebensfreude durch.
Seligman, der die arg zugerichtete Joe Jahre später in einer düsteren Gasse aufspürt, bietet sich der Frau als geduldiger Zuhörer an. Zwischen den Kapiteln des Lust- und Leidenswegs unternimmt Seligman Ausflüge in die europäische Geistesgeschichte: Vom Schwarmverhalten der Flussfische über die mathematische Sequenz der Fibonacci-Zahlen und den Goldenen Schnitt bis zu Johann Sebastian Bach - Trieb und Bildung bilden den Kern des Rahmendialogs zwischen dem Büchernarr und der Nymphomanin.
Die wohl komischste Szene liefert Uma Thurman, die als betrogene Ehefrau mit ihren drei kleinen Söhnen in Joes Wohnung eindringt. Sie will den Kindern das „Hurerei-Bett“ zeigen: „Das hilft ihnen später bei der Trauma-Überwindung“. Auch der siechende Tod von Joes Vater (Christian Slater) zählt zu den berührenden Momenten des Films.
Wie die Story ausgeht, blieb für das Berlinale-Publikum allerdings offen. Mit dem 145 Minuten langen „Director's Cut“ zeigte von Trier nur den erweiterten ersten Teil der Sex-Saga. In Deutschland startet „Volume I“ am 20. Februar, den zweiten Teil (Volume II) können Kinogänger ab 3. April sehen.