Film-Ikone Leinwand-Legende Sidney Poitier wird 90
Los Angeles (dpa) - Die weite Reise nach London wollte Sidney Poitier vor einem Jahr nicht mehr antreten. Per Live-Schalte wurde der Hollywood-Star in die Bafta-Verleihung geholt, um den höchsten Preis der britischen Filmakademie für sein Lebenswerk entgegenzunehmen.
Der Schauspieler, der an diesem Montag (20. Februar) 90 Jahre alt wird, steht nur noch selten im Rampenlicht. Doch die Ausstrahlung und das Auftreten einer Filmikone hat er nicht verloren. Aufrecht, mit würdevoller Stimme und intensivem Blick zog Sir Sidney Poitier das britische Publikum mit einer langen Dankesrede in den Bann.
Der in ärmsten Verhältnissen auf den Bahamas aufgewachsene Bauernsohn wurde schon 1974 von der britischen Queen zum Ritter geschlagen. Der damalige US-Präsident Barack Obama verlieh ihm 2009 die „Presidential Medal of Freedom“, die höchste zivile Auszeichnung der USA.
Als Poitier 2002 einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk entgegennahm, zollten die Gala-Gäste minutenlang tobenden Applaus. Mit 22 Jahren sei er nach Hollywood gekommen, um eine Reise anzutreten, die damals „fast unmöglich“ erschien, sagte Poitier in seiner denkwürdigen Ansprache. Er lobte die „mutigen und selbstlosen“ Entscheidungen von Regisseuren und Produzenten, die ihm trotz seiner Hautfarbe Rollen und damit eine Chance gegeben hätten.
Poitier war der Wegbereiter für schwarze Leinwandstars wie Denzel Washington, Morgan Freeman, Louis Gossett Jr., Halle Berry und Viola Davis. Vor ihm hatte nur Hattie McDaniel 1940 für ihre Nebenrolle als Haushälterin im Melodrama „Vom Winde verweht“ als Schwarze einen Oscar gewonnen. Fast 25 Jahre vergingen, ehe Poitier 1964 für „Lilien auf dem Felde“ als erster Schwarzer zum besten Hauptdarsteller gekürt wurde. Er überzeugte die Akademie mit der Darstellung eines schwarzen Arbeiters auf der Farm weißer Nonnen.
Zu Poitiers Erfolgen zählt auch, dass er als erster Schwarzer in einem Hollywood-Film eine Weiße küssen durfte. Zwar wurde die leidenschaftliche Szene 1967 noch verschämt durch den Rückspiegel eines Taxis gedreht, aber sie gehört in die Reihe jener Durchbrüche, für die Bürgerrechtler ihn feierten und für die manche Aktivisten der afro-amerikanischen Bewegung ihn lange als angepassten „weißen Schwarzen“ schmähten.
Die schwarz-weiße Kuss-Szene stammt aus dem Film „Rat mal, wer zum Essen kommt“, in dem Poitier einem betuchten Elternpaar, gespielt von Katharine Hepburn und Spencer Tracy, als künftiger Schwiegersohn präsentiert wird. Katharine Houghton, heute 71 Jahre alt, mimte damals die Verlobte von Poitiers Leinwandfigur.
Bei den Dreharbeiten zu der Kuss-Szene sei eine „unglaubliche Anspannung“ spürbar gewesen, erzählte die Schauspielerin kürzlich dem US-Magazin „Vanity Fair“. Als Schwarzer sei Poitier sehr kritisch beäugt worden. „Er musste besser sein als ein weißer Mann. Und das war sein großes Geschenk an Amerika. Er entschied sich, der perfekte Mann zu sein“, sagt Houghton über Poitier.
Die Rollenangebote für den blendend aussehenden Darsteller überschlugen sich, Ende der 1960er Jahre galt Poitier als höchstbezahlter Filmschauspieler. Neben „Rat mal, wer zum Essen kommt“ war er 1967 noch in zwei weiteren Filmen zu sehen. In dem Krimi „In der Hitze der Nacht“ glänzte er als Kriminalexperte aus dem Norden, der sich gegen einen rassistischen Südstaaten-Sheriff (Rod Steiger) durchsetzen muss.
Geboren wurde Poitier in Florida. Es war ein Zufall, dass das jüngste von sieben Kindern einer armen Bauernfamilie von den Bahamas in den USA zur Welt kam. Die Eltern verkauften dort Gemüse, das Baby kam früher als geplant. Poitier, der auf der kleinen Cat-Island-Insel groß wurde, folgte als Teenager einem älteren Bruder nach Florida. Er schlug sich als Straßenverkäufer, Tellerwäscher und Handlanger durch.
In New York trat er dem American Negro Theater bei. Nach kleinen Broadway-Rollen gab er 1950 in „Der Hass ist blind“ („No Way Out“) an der Seite von Richard Widmark in einer Arzt-Rolle sein Filmdebüt. Der Star aus Filmen wie „Flucht in Ketten“, „Porgy
and Bess“ und „Ein Fleck in der Sonne“ drehte 1997 mit dem Action-Thriller „Der Schakal“ seinen letzten Spielfilm.
Auftritte von Poitier sind selten geworden. Bei der Oscar-Verleihung 2014 lief er an der Seite seiner Tochter Sydney Tamiia Poitier über den roten Teppich. Die Akademie hatte den Schauspieler als Ehrengast und Helfer auf der Bühne eingeladen.
In zweiter Ehe ist der Vater von sechs Töchtern seit über 40 Jahren mit der kanadischen Schauspielerin Joanna Shimkus (73) verheiratet. Als Poitier im vorigen Jahr den Bafta-Preis erhielt, dankte er insbesondere seiner Familie. Stolz erwähnte er seine Frau, die sechs Töchter, Enkel und Urenkel. „Ihr seid mein Ein und Alles“, sagte der Star sichtlich gerührt.