Martina Gedeck im Interview: Mit vierzig ging's erst richtig los

„Mit vierzig ging’s bei mir erst richtig los“ — Der Kinostar über ihre TV-Rolle als Ehefrau auf Abwegen, warum sie keine Angst vor dem Alter hat und wieso sie sich manchmal wie eine Pflanze fühlt

Berlin. Sie gilt als eine der wichtigsten Schauspielerinnen Deutschlands: Martina Gedeck glänzte in Filmen wie „Bella Martha“, „Das Leben der Anderen“ oder „Der Baader Meinhof Komplex“, ihre Wandelbarkeit fasziniert Kritiker ebenso wie Filmfans. Für ihre Rollen wurde die 50-Jährige mit zahllosen Preisen geehrt, derzeit steht die aus München stammende Filmdiva an der Seite der Hollywoodstars Jeremy Irons und Vanessa Redgrave für die Bestselleradaption „Nachtzug nach Lissabon“ vor der Kamera.

Nun gibt Martina Gedeck, die mit dem Schweizer Regisseur Markus Imboden liiert ist und in Berlin lebt, eines ihrer seltenen Fernsehgastspiele: Im Mittelpunkt der Tragikomödie „Halbe Hundert“ (Mittwoch, 28.3., 20.15 Uhr, ARD) stehen drei Frauen um die fünfzig, die in tiefen Lebenskrisen stecken.

Gedeck verkörpert die erfolgreiche Chirurgin Anne (Johanna Gastdorf und Leslie Malton spielen die anderen weiblichen Hauptrollen), die glaubt, dass ihr Ehemann sie betrügt. Aus gekränkter Eitelkeit bucht sie für einen Kongress einen professionellen Begleiter — doch das erweist sich als verhängnisvoller Fehler.

Frage: Frau Gedeck, was hat Sie an der Hauptrolle im TV-Drama „Halbe Hundert“ so gereizt, dass Sie als gefragter Kinostar sich für diesen Fernsehfilm entschieden haben?

Martina Gedeck: Wenn Sie sich anschauen, was ich die letzten Jahre gemacht habe, dann waren das immer besondere, komplexe Menschen in außergewöhnlichen, teilweise auch lebensbedrohlichen Situationen. Ich fand es gut, dass ich einfach mal eine Frau wie du und ich spielen konnte. Da war nichts mit Stasi wie in „Das Leben der Anderen“, es war keine Terroristin wie in „Der Baader Meinhof Komplex“, sondern eine normale Frau mit normalen Freunden in einem heutigen, zeitgenössischen Leben. Da dachte ich: Das möchte ich eigentlich gerne mal wieder machen. Auch die Schwierigkeiten, die sie zu meistern hat, sind nicht existentiell bedrohlich.

Frage: Wie man’s nimmt — es geht immerhin um Frauen um die fünfzig, die mit dem Älterwerden konfrontiert werden. Was bedeutet das Älterwerden für Sie? Schauen Sie manchmal besorgt in den Spiegel?

Martina Gedeck: Dass man nicht mehr so aussieht, wie man mit dreißig aussah, das muss man einfach akzeptieren. Natürlich kann man gegen diese Gedanken, dass man plötzlich nicht mehr schön ist, fast nichts tun, die überfallen einen wie kleine Dämonen. Ich will darüber aber gar nicht zu viel nachdenken und sagen, ich würde am liebsten immer aussehen wie dreißig — was im Übrigen auch nicht stimmt.

Frage: Wieso denn nicht?

Martina Gedeck: Ich bin durch meinen Beruf da hineingewachsen, dass ich auf eigene Bedürfnisse, was die Schönheit angeht, verzichten muss. Ich stelle meinen Körper, mein Gesicht, meine ästhetischen Ansprüche, in den Dienst der Rollen. Ich finde ein bestimmtes Kleid vielleicht nicht so wahnsinnig schön — aber diese Frau hat so was eben an. Oder wenn ich eine Alkoholikerin spiele, trage ich die Haare so, wie ich sie nicht tragen würde. Von daher ist es mir nie so recht gelungen, mich über mein Äußeres zu definieren, weil ich immer jemand anderes sein musste. Mal musste ich eine Bäuerin aus den 50er Jahren sein, mal eine elegante Frau von heute. Mit Alterserscheinungen, die mich wirklich beeinträchtigen würden, habe ich mich noch nicht beschäftigen müssen, dass ich zum Beispiel nicht mehr so gut gehen kann oder mir keine Texte merken kann. Das wäre eher Grund zur Sorge, als dass ich nicht mehr so aussehe wie früher.

Frage: Und was ist mit dem Karriereknick, den angeblich viele Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter erleiden?

Martina Gedeck: Wenn man nicht genug kann, wird man vielleicht nur genommen, solange man hübsch und sexy ist, da gibt es diese Altersgrenze. Aber die Schauspielerinnen, die was können, die arbeiten ja alle weiter. Als ich dreißig war, hat man mir gesagt: „Du, ab vierzig wirst du keine Arbeit mehr haben, da wird es schwierig.“ Aber mit vierzig habe ich „Bella Martha“ gespielt, da ging’s bei mir erst richtig los. Von daher habe ich diese angeblichen Gesetzmäßigkeiten für mich nie wirklich ernst genommen.

Frage: In „Halbe Hundert“ spielen Sie eine Handchirurgin. Was bedeuten die Hände für Sie als Schauspielerin?

Martina Gedeck: Die Hände sind wie Seismographen der Seele. Wenn ich emotional im Einklang mit der Figur bin, die ich spiele, dann sieht man an der Handhaltung, was mit ihr los ist. Das passiert bei mir oft unwillkürlich. Wenn der Regisseur dann sagt: „Du hast da was Schönes mit den Händen gemacht, kannst du das wiederholen?“, weiß ich erst nicht, was er meint. Das ist wie bei einer Pflanze, wo die Blattspitzen sich im Wind bewegen — man steuert das nicht selbst.

Frage: Ein schönes Bild...

Martina Gedeck: Man kann die Hände aber natürlich auch bewusst einsetzen. Ich erinnere mich an eine Szene in einem anderen Film, wo ich als junge Frau meiner Mutter gegenüber klarmachen möchte, dass ich auf keinen Fall ein Rüschenbrautkleid tragen will. Da gibt es eigentlich immer nur dieselbe Handbewegung, ein Schlagen mit angewinkeltem Arm von oben nach unten — in solchen Fällen benutze ich die Arbeit mit den Händen gezielt als gestalterisches Mittel.

Frage: Schauen Sie sich solche Gesten bei normalen Menschen ab, die Ihnen auf der Straße oder im Café begegnen?

Martina Gedeck: Ich lasse mich lieber von Schauspielern inspirieren, wenn ich Filme schaue, weil vieles vor der Kamera ja noch mal anders wirkt als ohne Kamera. Es hängt aber auch vom einzelnen Schauspieler ab, wie eine Geste wirkt — und was für den einen funktioniert, funktioniert nicht für den anderen.

Frage: Was funktioniert denn bei Ihnen gar nicht?

Martina Gedeck: Bei mir ist sicher der Fall, dass ich nicht zu viel machen darf, ich drücke mit einer Bewegung oder einer Geste schon relativ viel aus. Wenn es zu viel ist, geht die Wirkung verloren. Gerade bei Großaufnahmen reicht ja oft schon eine Bewegung mit den Augen.

Frage: Es war zu lesen, dass Sie sich bei solchen gestalterischen Fragen nicht gerne vom Regisseur reinreden lassen.

Martina Gedeck: Es ist so: Der Regisseur, gerade in so einem Fernsehspiel, hat wahnsinnig viel zu tun. Er muss das große Ganze im Auge haben, alles muss er entscheiden. Die Arbeit des Schauspielers muss der Schauspieler leisten. Ich muss mir vorher Gedanken machen, die Figur für mich strukturieren, ich muss ans Set kommen und eine Vorstellung haben, was in der jeweiligen Szene wichtig ist, ich muss Dinge anbieten. Ich kann aber nicht gegen den Regisseur arbeiten. Er kreiert den Film, es ist seine Handschrift. Wenn Regisseur Matthias Tiefenbacher zu mir gesagt hätte: „Du, das sieht so aufgesetzt aus, was du da mit den Händen machst, lass das mal weg“ — dann hätte ich bestimmt nicht geantwortet: „Pass auf, du hast mir gar nichts zu sagen.“