Mit Clooney im All: Filmfest Venedig gestartet
Venedig (dpa) - Sich treiben lassen, neue Welten entdecken, an seine Grenzen kommen - all das gehört zu den Zielen von Filmfestivals. Schließlich sollen die Filme Neues erforschen und möglichst den Horizont erweitern.
Vor diesem Hintergrund scheint das Werk „Gravity“ dann auch bestens als Eröffnungsfilm der diesjährigen Internationalen Festspiele Venedig geeignet: Der Film des Mexikaners Alfonso Cuarón spielt im All, durch das die Hollywoodstars George Clooney und Sandra Bullock als Astronauten zu Forschungszwecken schweben.
Glamouröser Nebeneffekt: Zur Eröffnung der 70. Festspiele reisten Bullock und Venedig-Stammgast Clooney, beide ohne Begleitung, an den Lido - und ließen sich am roten Teppich ausgiebig Zeit für Autogramme und Fotos mit den Fans.
Auch Jurymitglieder wie die einstige „Star Wars“-Darstellerin Carrie Fisher und die Französin Virginie Ledoyen - im hellen, rückenfreien Kleid - sorgten bei der abendlichen Gala für Blitzlichgewitter.
Es ist ein ungewöhnliches Werk, das Cuarón da vorlegt. Denn sein „Gravity“ ist Actionfilm ohne offensichtlich pumpendes Adrenalin. Stattdessen wirkt wegen der Schwerelosigkeit des Alls alles entschleunigt und irgendwie sanfter - dafür aber nicht weniger dramatisch: Als die beiden Astronauten Dr. Stone (Bullock) und Matt Kowalsky (Clooney) bei einem Außeneinsatz im All arbeiten, kommt es zur Katastrophe, und sie sind völlig auf sich allein gestellt. Das Space-Shuttle ist schon nach wenigen Minuten durch einen Metallschauer zerlegt, die anderen Astronauten sind tot. Die Verbindung zur Erde ist abgebrochen und der Sauerstoffgehalt in Dr. Stones Raumanzug sinkt dramatisch.
Diese düstere Ausgangssituation unterlegt Cuarón („Children of Men“) allerdings nicht mit ebenso düsteren Bildern. Im Gegenteil: Wie die beiden Überlebenden durchs All und zur vielleicht rettenden Internationalen Raumstation ISS treiben, ist auf bizarre Weise schön anzusehen - da sind zum Beispiel ein spektakulärer Sonnenaufgang, ein Panoramablick über die Erde. Und das alles in 3D. Allerdings verzichtet Cuarón darauf, seinen Protagonisten wirkliche Tiefe zu verleihen oder die Dramatik des Geschehens spürbar werden zu lassen. Das kann daher, auch wegen der pathetisch überzeichneten Schluss-Sequenz, letztlich nicht völlig überzeugen.
Bei der Pressekonferenz mit den beiden Hauptdarstellern spielte das wenig später aber keine Rolle mehr. Stattdessen ließ Clooney wie gewohnt seinen Charme spielen, scherzte gut gelaunt und plauderte aus, dass er mit seiner „guten Freundin Sandy“ Yoga gemacht habe, um sich auf die Rolle vorzubereiten. Anders als sein Charakter habe er sich auch nicht allein gefühlt - „da waren einfach immer zu viel Crewleute um uns herum“.
Bullock wurde da etwas ernster und erzählte, dass sie engen Kontakt zu Astronauten der ISS hatte. „Ich habe teilweise ganz blöde Fragen gestellt, wie "Wie geht man auf die Toilette?".“ Dabei habe sie jedoch größten Respekt vor den Astronauten bekommen. „Sie sind da oben, weil sie sich Gedanken ums Leben - um unser Leben - machen. Das hat mich demütig werden lassen.“
Chancen auf einen Preis in Venedig hat „Gravity“ nicht, denn der Film läuft außer Konkurrenz. Im Wettbewerb konkurrieren bis zum Samstag kommender Woche dafür 20 weitere Werke um den Goldenen Löwen. Darunter ist mit Philip Gröning auch ein deutscher Regisseur, der sein Drama „Die Frau des Polizisten“ um Gewalt in der Ehe ins Rennen schickt.
„Wir werden einen Film gewinnen lassen, der uns alle überrascht“, verkündete Jury-Präsident Bernardo Bertolucci („Der letzte Tango in Paris“) kurz vor der Eröffnung. „Ich hoffe, es wird ein Film sein, mit dem niemand rechnet.“ Festivaldirektor Alberto Barbera versprach zudem, die diesjährige Ausgabe werde vor allem eines: unterhalten. Das sei ein wichtiges Charakteristikum seiner Auswahl. Mit „Gravity“ als Auftakt ist ihm das jedenfalls schon mal gelungen.