Oscar-Chancen für Snowden-Film „Citizenfour“

Berlin (dpa) - Den Namen Edward Snowden kennt inzwischen fast jeder. Er löste mit seinen Enthüllungen den größten Geheimdienst-Skandal der letzten Jahre aus.

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Doch als die Regisseurin Laura Poitras das erste Mal von Snowden hörte, war er unbekannt. Er verriet Poitras nicht einmal seinen Namen. „Ich bin ein hochrangiger Mitarbeiter der Geheimdienste“, schrieb er ihr in seiner ersten anonymen E-Mail. Er nannte sich „Citizenfour“. Er könne beweisen, wie weitreichend die Überwachungsprogramme der Geheimdienste seien, allen voran die der amerikanischen NSA. Aber er schrieb auch: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich dir nichts anbieten außer meinem Wort.“

Poitras glaubte dem anonymen Informanten - und sorgte dafür, dass sein Wissen um die ausufernden Überwachungsprogramme der Geheimdienste ans Licht kam. Dabei war der Druck auf die Beteiligten enorm. „Es war beängstigend“, sagt Poitras. „Mir war klar, dass wir einige sehr mächtige Menschen gegen uns aufbringen würden.“

Das Risiko hat sich ausgezahlt. Weltweit sorgten die Enthüllungen für Empörung, in Deutschland untersucht ein Ausschuss des Bundestags die Arbeit der Geheimdienste. Poitras Werk über die Enthüllungen, ebenfalls „Citizenfour“ genannt, ist für einen Oscar nominiert. Am Sonntag könnte die deutsche Ko-Produktion mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet werden.

Der Film beschreibt, wie die Enthüllungen zustande kamen. Die Reporter treffen sich in Hongkong mit Snowden. Sie können kaum glauben, was er ihnen erzählt. Die Stimmung wird immer bedrohlicher, dennoch will sich Snowden nicht verstecken. Poitras filmt ein kurzes Interview, die Zeitung „Guardian“ veröffentlicht es auf ihrer Webseite. Als Snowdens Gesicht dann weltweit über die Fernsehbildschirme flimmert, wirft das die Enthüller in den Hongkonger Hotelzimmern aus der Bahn. Snowden muss in Sicherheit gebracht werden, doch wohin? Die Informanten stranden in Moskau.

Sie sei interessiert an den Wendepunkten, an denen Menschen Entscheidungen treffen müssen, sagt Poitras. Ihr Film fängt die bedrängte Stimmung in Hongkong ein, dazu die sich überschlagenden Ereignisse in Folge der Berichte, die Anhörungen in Brasilien, Berlin und Brüssel. Sie schafft es, die abstrakte Überwachung in Bilder zu fassen: Die Bauarbeiten an einem riesigen Datencenter, in dem die abgefangenen Nachrichten gespeichert und analysiert werden. Ein dunkler Tunnel in Hongkong.

Poitras steht auf der Seite ihres Protagonisten. Zweifel an seinem Handeln lässt sie nicht aufkommen. Dieses Vertrauen wird ein Grund sein, dass es den Film - und die Enthüllungen - überhaupt gibt. Doch andere Filmemacher bohrten mehr nach. Eine Dokumentation von NDR und WDR über Snowdens Flucht etwa zeigt, wie der 31-Jährige mit seiner Entscheidung hadert. Solche Momente gibt es in „Citizenfour“ wenige: Snowden wirkt von der Sache überzeugt. Das Bild bricht nur wenige Male, etwa als er mit seiner Freundin chattet und nervös überlegt, mit welchen Auswirkungen sie konfrontiert sein wird.

Fertig gestellt wurde der Film zum größten Teil in Berlin. Poitras lebte bereits in Deutschland, als Snowden mit ihr Kontakt aufnahm. Sie fühlte sich hier sicherer, sagt sie. In Berlin formte sie gemeinsam mit Mathilde Bonnefoy und Dirk Wilutzky aus dem Rohmaterial das fertige Werk. Die beiden Produzenten sind mit ihr für den Oscar nominiert.

In Deutschland ist die Privatsphäre rechtlich gut geschützt, das war ein Grund, warum das Filmteam laut Poitras herkam. Ein anderer ist das Netzwerk an Aktivisten, Künstlern und Technikern, das sich in Berlin etwa um den Chaos Computer Club gebildet hat. Hier gab es Fürsprecher und Unterstützer, auch finanziell. Die deutsche Fernsehsender NDR und BR gaben Geld für den Film, ebenso der Deutsche Filmförderfonds. Im Juni soll der Film in der ARD zu sehen sein.