Regisseur Christian Petzold: „In einen Film muss man sich hineinträumen“

Der Regisseur Christian Petzold erhält am Freitag den Helmut-Käutner-Preis. Die Jury würdigt seinen „unbestechlichen Realismus“.

Düsseldorf. „Ich habe nicht gefrühstückt, nicht geraucht und bin in einer Super-Stimmung“, sagt der Regisseur Christian Petzold, grinst aber munter. Seine Anreise aus Berlin hat sich wegen vereister Tragflächen hingezogen.

Am Freitag wird dem 52-Jährigen der Helmut-Käutner-Preis überreicht, den die Stadt Düsseldorf seit 1982 zum 13. Mal verleiht. Die Jury würdigt ihn als prägenden Regisseur der deutschen Filmkultur, der „unbestechlichen Realismus mit psychologischer Tiefenschärfe verschmilzt“. Darin sieht sie ihn als würdigen Erben des in Düsseldorf geborenen Regisseurs Käutner (1908 — 1980).

In der Tat liefern Petzolds Werke intensive Momentaufnahmen deutscher Gegenwart und Vergangenheit. Er hat keine Scheu, im normalen Alltag und in gewöhnlichen Lebensräumen genau hinzusehen. Die sind nicht schön, aber wahr: „Ein Leben besteht aus Dingen, die nicht zusammenpassen, aus Banalitäten, aus Langeweile“, sagt er.

Diese Sicht hat er wohl schon in sich aufgesogen, als der Jugendliche vom heimatlichen Haan nach Wuppertal, Düsseldorf und Köln in die Programmkinos und zu Konzerten fuhr. „Emerson, Lake und Palmer sind in der Philipshalle so spät aufgetreten, dass ich vorher wegmusste, um den letzten 780er Bus nach Haan zu bekommen. Aus dieser Enttäuschung heraus habe ich mindestens drei Drehbücher geschrieben“, erzählt Petzold.

Entspannt und locker plaudert der Regisseur. Doch man täusche sich nicht: Seine Ansprüche ans Filmemachen sind extrem hoch und seine Vorstellungen sehr präzise. So kann er dem viel gelobten ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ wenig abgewinnen. „Das sind Charaktere wie aus dem sozialen Warenkorb“, kritisiert er. Es habe dramaturgisch keine Überraschungen gegeben, die Berliner Kulissen seien die gleichen gewesen wie immer.

„Es ist ganz schwer, Geschichte physisch zu machen, ohne dass daraus eine Lehrstunde wird“, sagt er. In gute Filme müsse man sich hineinträumen, einen Zustand erreichen wie kurz vor dem Einschlafen. Das Thema beschäftigt ihn auch, weil sein nächstes Projekt ebenfalls 1945 spielt.

Zum sechsten Mal übernimmt Nina Hoss bei ihm eine Hauptrolle. Sie spielt eine Frau, die mit einem zerstörten Gesicht aus Auschwitz nach Berlin zurückkehrt und den Mann sucht, den sie geliebt hat und der sie verraten hat. Diese Rolle übernimmt Ronald Zehrfeld, der auch schon in „Barbara“ dabei war. Am 2. August beginnen die Dreharbeiten.

Und was macht der Regisseur mit dem Preisgeld von 10 000 Euro? „Auto interessiert mich nicht, Haus kommt nicht in Betracht, und zu einer Weltreise habe ich überhaupt keine Lust.“ Stattdessen werde er sich Bücher kaufen, „richtige Bücher“, einige tausend habe er. „Und ich glaube, ich werde das Geld verschwenden — dem Protestantismus eins auswischen.“