Regisseur Ken Loach: „Ich erzähle von mutigen Menschen“
Mit dem Drama „Jimmy’s Hall“ wollte der englische Regisseur Ken Loach eigentlich seine Karriere beenden — nun überlegt er wieder.
Berlin. Nun schon fast ein halbes Jahrhundert lang gilt der britische Filmregisseur Ken Loach als einer der wichtigsten europäischen Meister des sozialkritischen und dabei immer unterhaltsamen Kinos. Den Ruf hat er mit Hits von „Kes“ über „Ladybird Ladybird“ bis zu „Angels’ Share — Ein Schluck für die Engel“ erworben. Ihm wird er auch mit seinem auf Tatsachen basierenden Film „Jimmy’s Hall“ gerecht. Darin erzählt Loach vom Kampf einer irischen Dorfgemeinschaft gegen die Lebensfeindlichkeit der katholischen Kirche in den 30er Jahren.
Herr Loach, warum erzählen Sie mehr als 80 Jahre nach dem Geschehen die Geschichte von Jimmy, der die Lebensfreude anheizen möchte und so zum Ziel der Kirche wird?
Ken Loach: Weil es eine Geschichte ist, die einiges über unsere Gegenwart erzählt. Schauen Sie sich doch um in der Welt: Es gibt viele Länder, in denen Tanzen und Singen verboten sind, in denen ein radikaler Fundamentalismus die Freiheit der Einzelnen beschneidet, insbesondere der Frauen. Und die Geschichte von Jimmy und den anderen ist eine, die Mut machen kann, dagegen anzugehen.
Glauben Sie, dass Filme das Denken verändern?
Loach: Nein, das glaube ich nicht. Aber ich glaube daran, dass Spielfilme die Gefühle ansprechen. Und über die Gefühle kommen vielleicht ein paar Menschen dazu, ihre Gedanken immerhin infrage zu stellen. Vielleicht. Das wäre ungemein viel!
Ist Jimmy ein Spiegel Ihrer Persönlichkeit?
Loach: Nein! Ich erzähle nie von Menschen, weil sie mir ähnlich sind, sondern weil ich sie bewundere, ihren Mut, für das einzustehen, was sie für richtig halten.
Diesen Mut hat aber natürlich auch der Priester?
Loach: Stimmt. Deshalb haben wir auch alles unternommen, damit er in unserem Film nicht zur Karikatur wird.
Ist „Jimmy’s Hall“ ein anti-katholischer Film?
Loach: Auf gar keinen Fall! Es ist ein Film gegen Verhärtung, gegen Intoleranz, gegen Fundamentalismus an sich. Und schon sind wir wieder in der Gegenwart.
Ihre Schauspieler wirken, wie immer, sehr authentisch. Oft sieht es so aus, als hätten Sie improvisiert. Sie waren als junger Mann selbst Schauspieler. Spielen Sie Ihren Akteuren einzelne Szenen vor?
Loach (mit heftigem Lachen): Um Himmels Willen. Ich war für ein paar Monate Schauspieler, und ich war der schlechteste in ganz England. Ich würde es nie wagen, guten Schauspielern etwas vorzuspielen. Ich würde mich nur lächerlich machen.
Im Mai, in Cannes, beim Filmfestival, da hieß es: Dies ist Ihr letzter Film. Bleibt es dabei?
Loach: Mal sehen. Ich kann es nicht sicher sagen. Wenn ich morgens aufstehe, denke ich immer, ich sollte es lassen, auf Berge zu steigen. Denn ich habe nicht mehr genug Puste. Aber nach ein, zwei Tassen Kaffee fühle ich mich schon wieder stärker. Und Paul Laverty, der Drehbuchautor so vieler meiner Filme, und ich, wir haben schon einige gute Ideen. Vielleicht schenke ich mir den nächsten Film zum 80. Geburtstag. Aber noch ist nichts spruchreif.
Bei der Berlinale haben Sie einen Ehren-Bären für Ihr Lebenswerk bekommen. Wie geht es dem Bären?
Loach: Es geht ihm gut. Er steht auf einem Regal und lächelt. Manchmal denke ich, dieses Lächeln soll mir sagen, dass ich ein, zwei ganz gute Sachen in meinem Leben hinbekommen habe.