Tod mit 83 Jahren Schrecken und Märchen: Regisseur Juraj Herz gestorben
Prag (dpa) - Die Liebe zum Horror entwickelte Juraj Herz schon in jungen Jahren. Als Kind entdeckte er die Märchen Wilhelm Hauffs, die er auf Deutsch las.
„Ich erinnere mich an das eine über eine abgehauene Hand - das hat mich ergriffen“, erzählte der slowakisch-jüdische Film- und Fernsehregisseur einmal. Nun ist der eigenwillige Künstler im Alter von 83 Jahren in Prag gestorben.
Es gehört zur Tragik seines Lebens, dass sein bester Film, „Der Leichenverbrenner“ von 1969, für Jahrzehnte im Tresor landete. Darin geht es um den Krematoriums-Angestellten Karel Kopfrkingl, der seinen Beruf über alles liebt. Als die Nazis die Tschechoslowakei besetzen, wird er zum glühenden Anhänger der neuen Rassenideologie. Weil seine Frau jüdische Wurzeln hat, beschließt Kopfrkingl, sie und die Kinder umzubringen, um seine Karriere nicht zu gefährden.
Doch die allgemeine Kritik an der Konformität der Massen stieß den damals in der Tschechoslowakei Herrschenden bitter auf. Nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung Prager Frühling im August 1968 forcierten die Kommunisten die Normalisierung, also die Anpassung an die unfreien Verhältnisse.
„Der Film war auf einmal furchtbar aktuell: Er handelte von Menschen, welche die Fahne nach dem Wind drehen - darum wurde er verboten“, erinnerte sich Herz später. Ins Kino kam der expressionistische Schwarz-Weiß-Film nach einer Romanvorlage von Ladislav Fuks (1923-1994) erst sehr viel später, im August 1990.
Die Schrecken des Nationalsozialismus hatte Herz am eigenen Leib erfahren. Als Kind jüdischer Eltern in Kezmarok am Fuße der Hohen Tatra geboren, wurde seine Familie von den Nazis ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. „Niemand hatte geglaubt, dass wir überleben würden - schon vor dem Transport waren wir abgemagert“, sagte er einmal beim Besuch einer Gedenkstätte.
Nach dem Krieg lernte Herz Fotografie und studierte Puppentheater-Regie. Um der sozialistischen Zensur zu entgehen, wandte er sich ab den 1970er Jahren zunehmend dem vermeintlich unpolitischen Märchenfilm zu. Seine ersten Versuche gewannen Auszeichnungen - aber nicht bei Kinderfilm-, sondern bei Horrorfilmfestivals. „Das war ein großes Schlamassel, denn die Kinder liefen heulend aus dem Kino“, so Herz.
Dem Genre blieb er auch während seiner kurzen Zeit in der Emigration in die Bundesrepublik treu. Für deutsche Fernsehsender entstanden Verfilmungen wie „Die Galoschen des Glücks“ (1986) nach Hans Christian Andersen, „Der Froschkönig“ (1991) mit Iris Berben und „Des Kaisers neue Kleider“ (1994).
Sein letzter Film, „Habermann“ aus dem Jahr 2010, erzählte von einem Unternehmer in Mähren, der im Zweiten Weltkrieg zwischen alle Fronten gerät: Für die Tschechen ist er kein echter Tscheche, für die Nazis ein Freund der Tschechen. Für sein Lebenswerk erhielt Herz vor acht Jahren den Kristallglobus des Karlsbader Filmfestivals. Die Slowakei ehrte ihn mit dem Orden des Weißen Doppelkreuzes, einer der höchsten staatlichen Auszeichnungen.