Thriller „In Time“: Wir haben doch keine Zeit

„In Time“ mit Justin Timberlake schildert eine Parallelwelt, in der nicht Geld, sondern Zeit die Währung der Menschheit ist.

Es gibt schlimmere Vorstellungen, als morgens von einer Frau geweckt zu werden, die gerade 50 geworden ist und so aussieht wie Rachel Salas (Olivia Wilde, „House“). Ihre Haut ist straff, kein graues Haar ist zu erkennen — und das Schönste: Weder Botox noch Tönungen sind dafür verantwortlich. Rachel Salas sieht seit 25 Jahren gleich aus.

Was beneidenswert klingt, ist in der Zukunft, die „In Time“ schildert, nichts weiter als die Normalität. Alter gibt es nicht mehr, die Wissenschaft hat das dafür verantwortliche Gen gefunden, isoliert und aus dem DNA-Pool verbannt.

Jeder Mensch bleibt physisch sein Leben lang 25. Theoretisch kann das ewig sein. Für die meisten Menschen allerdings, besonders für die Bewohner von Dayton, wo auch Rachel Salas wohnt, ist es ein täglicher Kampf ums Überleben.

Um eine Überbevölkerung zu vermeiden, haben alle Menschen Zeitschaltuhren. Am 25. Geburtstag beginnen sie zu laufen, jeder Mensch hat von da an ein Guthaben von einem Jahr. Aufstocken kann er es durch Arbeit. Geld gibt es nicht mehr.

Der Lohn wird in Stunden und Minuten ausgezahlt. Gleichzeitig werden Miete, Strom, Essen und Sozialabgaben in Zeit entrichtet. Wer Niedriglohnjobs hat, lebt nur von Tag zu Tag. Was abends auf die Schaltuhr im Arm geladen wird, muss bis zum nächsten Tag reichen.

Rachels Sohn Will (Justin Timberlake) ist 28, seit drei Jahren sind er und seine Mutter zu einer Symbiose verschmolzen. Sie bestreiten gemeinsam ihren Lebensunterhalt. Wird bei einem der beiden die Zeit knapp, helfen sie sich gegenseitig mit Fünf-Minuten-Leihgaben aus.

Alles ändert sich, als Will in einer Bar auf Henry (Matt Bomer, „White Collar“) trifft. Er stammt aus der Privilegiertengegend New Greenwich und ist sprichwörtlich lebensmüde. 105 Jahre hat er bereits auf dem Buckel, weitere 116 stehen auf seinem Konto.

Als Will und Henry vor den Minute-Men, den skrupellosen Zeitdieben, flüchten müssen, schenkt Henry Will seine Zeit und lässt seine eigene verstreichen. Doch die großzügige Spende bringt Will nur Probleme: Er muss sein Zeitkonto vor den anderen verbergen, außerdem sind ihm die Timekeeper, eine Art Sonderdezernat für Wirtschaftskriminalität, auf den Fersen.

Er flüchtet nach Greenwich, wo er Sylvia Weis (Amanda Seyfrid), die Tochter des Zeit-Bankiers Sydney Weis (Vincent Kartheiser, „Mad Men“) kennenlernt. Als ihn die Timekeeper ausfindig machen, nimmt er Sylvia als Geisel.

Es ist eine grandiose Idee, die der komplizierten Geschichte des Autorenfilmers Andrew Niccol („Gattaca“) zugrunde liegt: Zeit als Währung, soziale Unterschiede als existenzieller Kampf — der Stoff, aus dem sozialkritische Science-Fiction-Klassiker gemacht sind.

Niccol bleibt in der Ausgestaltung seiner Charaktere allerdings zu formelhaft und erzählt eine gesellschaftspolitische Rachestory nach Schema F. Will und Sylvia verbünden sich, wollen das grausame System stürzen. Mehr als die Barbie-und-Ken-Version von Bonnie und Clyde springt dabei aber nicht heraus, was weniger an Timberlake und Seyfrid liegt, die souverän spielen, als vielmehr den Dialogen geschuldet ist, die wie aus dem Musterbuch für Fluchtszenarien gestanzt wirken.

Nicht nur als beklemmende Utopie einer Zukunft, auf die man möglicherweise selbst hinarbeitet, versagt „In Time“ wegen solcher Klischees. Auch als Parabel auf den Turbokapitalismus funktioniert der Film nicht, da die Figuren und ihre Schicksale nicht berühren. Die Zukunft, die Niccol schildert, atmet kein Leben. Glaubwürdig darum zu kämpfen ist da schlicht unmöglich.