Triumph für Loach in Cannes - Ade geht leer aus
Cannes (dpa) - Rechte Parteien und Politiker gewinnen derzeit in vielen Ländern an Kraft. Sie nutzen die Flüchtlingskrise, soziale Ungleichheiten und die wirtschaftliche Lage in Ländern wie Griechenland für ihre Zwecke aus.
Diese Entwicklungen sind eine große Gefahr für unsere Zukunft, wie der Brite Ken Loach findet. Am Sonntagabend gewann er für sein Sozialdrama „I, Daniel Blake“ die Goldene Palme beim Filmfest Cannes - und nutzte seinen Erfolg für ein klares politisches Statement gegen Rechts und soziale Missstände.
„Die Welt in der wir leben, ist derzeit an einem gefährlichen Punkt“, sagte der Regisseur, für den es die zweite Goldene Palme seiner Karriere ist. Er prangerte die Sparmaßnahmen in Südeuropa an, den Neoliberalismus und den Reichtum einiger weniger. „Millionen Menschen leiden.“ All das werde uns „an den Rand einer neuen Katastrophe bringen“, warnte Loach. Rechte Parteien könnten von diesen Entwicklungen profitieren. Nächsten Monat wird Loach 80 Jahre alt - von seinem Kampfgeist hat er aber noch nichts verloren.
So verdient die höchste Auszeichnung für den Briten und seinen Film über einen älteren Handwerker im Kampf gegen seinen sozialen Abstieg auch ist: Die deutsche Regisseurin Maren Ade, mit ihrer Tragikomödie „Toni Erdmann“ als große Favoritin gehandelt, wurde bei der Preisvergabe komplett übergangen - eine höchst umstrittende Juryentscheidung. Immerhin war der Film um ein ungleiches Vater-Tochter-Paar bei Kritikern und Kinogängern euphorisch gefeiert worden; nach der Preisvergabe drückten viele ihr Unverständnis beim Kurznachrichtendienst Twitter aus.
Überhaupt war es eine Preisvergabe voller Überraschungen. Xavier Dolan entfaltete in seinem Drama „It's Only the End of the World“ zwar einmal mehr eine ungeheure visuelle Wucht und zeigte eine völlig zerstrittene Familie. Angesichts erzählerischer Schwächen hatte aber kaum jemand mit einem Hauptpreis für den 27-jährigen Kanadier gerechnet - und dann gewann er für seine kammerspielartige Tour de Force doch den Großen Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals.
Der Iraner Asghar Farhadi, der 2012 den Auslands-Oscar für „Nader und Simin - eine Trennung“ erhielt, fokussierte in seinem neuen Werk erneut auf ein Paar in einer Ausnahmesituation: Nachdem die Ehefrau brutal überfallen wurde, macht sich ihr Mann auf die Suche nach dem Täter. Warum das Drama um Moral und Würde, das nicht zu Farhadis stärksten Werken gehört, dann mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet wurde - für das beste Drehbuch und den Hauptdarsteller (Shahab Hosseini) - irritierte ebenfalls viele.
Es seien eben sehr subjektive Entscheidungen gewesen, sagte Jury-Präsident George Miller anschließend. „Jeder hat seine eigene Meinung.“ Und doch wird dieser Jahrgang wohl auch wegen seiner Entscheidungen in Erinnerung bleiben. Weder das Rassismusdrama „Loving“ des US-Amerikaners Jeff Nichols wurde mit einem Preis bedacht noch der gesellschaftskritische Beitrag „Aquarius“ aus Brasilien oder das poetische und von Kritikern hochgelobte Werk „Paterson“ von Jim Jarmusch.
Sicher, in einem starken Wettbewerb, wie man ihn in diesem Jahr in Cannes sah, können nie alle Favoriten auch tatsächlich ausgezeichnet werden. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass gerade die Deutsche Maren Ade zu Unrecht übergangen wurde. Immerhin ist ihr Werk so tragisch, ehrlich, berührend und gleichzeitig schreiend komisch - eine Mischung, wie man sie im Kino nur selten sieht. Der 39-jährigen Ade hätten viele den Triumph in Cannes gewünscht. Das sollte aber eben nur ein Traum bleiben.