„Und dann der Regen“: Preisgekröntes Sozialdrama
Berlin (dpa) - Alles für die Kunst? Filmteams, die sich ganz und gar ihren Dreharbeiten widmen, beuten schon mal sich selbst und andere aus, ohne dies kritisch zu hinterfragen.
Wie problematisch das sein kann, zeigt das Drama „Und dann der Regen“ der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín und des Drehbuchautors Paul Laverty („Sweet Sixteen“, „The Wind That Shakes the Barley“).
Bollaín zeigt einen spanischen Künstlertrupp, der ein Drama über Kolumbus in Bolivien produzieren will, auch wenn der Eroberer dort nicht gelandet war. Doch die Drehbedingungen scheinen unschlagbar preisgünstig. Die Bewohner des ärmlichen Orts Cochabamba verdingen sich aus blanker Not schon für zwei Dollar am Tag als Statisten.
So scheint sich die Vergangenheit zu wiederholen und die Ironie der Geschichte könnte kaum beißender sein: Ausgerechnet bei der Produktion eines sozialkritischen Dramas über die Versklavung der Südamerikaner durch die Kolonialherren nutzen auch die Filmleute die Einheimischen aus. Dabei übersehen sie fast, wie brenzlig die Situation dort aktuell ist und wie sehr ihre Dreharbeiten zu einer Art Hohlspiegel ihres eigenen Filmthemas werden.
Im Mittelpunkt stehen drei starke Männerfiguren. Der Regisseur Sebastián (Gael García Bernal) hat nur seine künstlerische Vision im Kopf. Gegen den Willen seines Produzenten Costa (Luis Tosar) setzt er durch, dass ausgerechnet der kämpferische Daniel (Juan Carlos Aduviri) den Anführer der indigenen Gruppe in seiner Leinwandgeschichte spielt.
Doch Costa, der vorhersieht, dass Daniel auch bei den Dreharbeiten Ärger machen wird, behält recht. Daniel setzt sich nicht nur gegen Ungerechtigkeiten am Set zur Wehr, sondern führt auch die Demonstrationen gegen die Privatisierung der Wasserversorgung in Cochabamba an und gefährdet damit das Gelingen des Films. Als sich der Konflikt zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen ausweitet, beginnen Sebastián und Costa, die Nöte der Menschen dort mit anderen Augen zu sehen. Es ist dann auch das charismatische Darstellertrio Bernal, Tosar, Aduviri, das der zunächst ein wenig plakativ anmutenden filmischen Parabel zwischen historischer Kolonialkritik und gegenwärtigem Sozialdrama zu ihrer Glaubwürdigkeit verhilft.
Die Dringlichkeit des Dramas „Und dann der Regen“ zeigt sich durch die Verflechtung wichtiger Szenen mit den Filmarbeiten im Film. Zum Beispiel, wenn sich ein Schauspieler als kolonialzeitlicher Priester bei den Proben zum Film im Film für die Rechte der indigenen Südamerikaner stark macht, während die unterbezahlten einheimischen Bühnenarbeiter ihre Bautätigkeit am Set dafür unterbrechen müssen.
Dieser Konflikt wird durch eine dritte Perspektive weiter überhöht: durch die Making-Of-Kamerafrau Maria. Immer wieder herrschen Costa und Sebastián sie an, sie solle aufhören zu drehen, wenn durch ihren beobachtenden Blick die Probleme am Set verdeutlicht werden. Und als Maria schließlich Costa bittet, parallel einen Dokumentarfilm über die reale Krise von Cochabamba drehen zu dürfen, winkt der entsetzt ab - und muss später schmerzvoll lernen, wie viel gewichtiger der gegenwärtige Konflikt im Vergleich zu seinem Film ist.
Das bewegende Drama „Und dann der Regen“ führt die Schizophrenie eines kritischen Geschichtsbewusstseins von Menschen in der westlichen Welt vor Augen, die Südamerikanern oft nach wie vor mit imperialistischem Hochmut begegnen. Der Film wurde mit vielen Auszeichnungen geehrt, unter anderem mit dem Publikumspreis der Berlinale 2011 in der Sektion „Panorama“.