Vertrieben aus dem Paradies: Tom Cruise und Morgan Freeman in Science-Fiction-Film „Oblivion“

In „Oblivion“ stellt Tom Cruise als Nachhut der Menschen die Frage nach dem Sinn. Optisch stark, aber letztlich substanzlos.

Je näher das Zukunftsszenario, desto größer der Nervenkitzel. Roland Emmerichs Katastrophen-Potpourri „2012“ kam drei Jahre vor dem im Maya-Kalender prognostizierten Weltuntergang ins Kino. Kathryn Bigelows düsterer Moloch-Thriller „Strange Days“ war 1995 nur gute vier Jahre vom unheildräuenden Millennium entfernt. Und selbst Stanley Kubricks „2001“ wirkte 1968 mit immerhin 33 Jahren Pufferzone zumindest noch greifbar.

Bei „Oblivion“ ist die Zukunft satte 60 Jahre entfernt. Das Ende der uns bekannten Zivilisation, das zu dem führt, was der Film schildert, findet allerdings 2017 statt. Also nur vier Jahre Schonfrist, bis Außerirdische unseren Mond plündern und das gesamte geoökologische Gleichgewicht der Erde so durcheinander gerät, dass der Kampf um die letzen brauchbaren Ressourcen in einem atomaren Krieg mündet, der die Menschheit weitgehend auslöscht.

Von Chaos, Tod und Verderben sieht man in „Oblivion“ nichts. Im Gegenteil: Das Art-Design, das den Film prägt, wirkt streng durchdacht und penibel aufgeräumt, ein bisschen so, als hätte ein Feng-Shui-Berater Regie geführt. Form und Farben sind pure Harmonie, das Haus, in dem Jack (Tom Cruise) und Victoria (Andrea Riseborough) leben, spiegelt mit weißen Lackarmaturen und breiten Glasfassaden den gleißenden Sonnenschein wider, der nur hin und wieder von rötlich schimmernden Wolken durchzogen wird. Das Paradies? Mitnichten! Hier lauert die Hölle mit Tarnkappe.

Jack und Victoria sind die Nachhut der Menschheit, deren Überlebende sich auf eine Raumstation gerettet haben. Ihre Aufgabe: die Fördertürme, die mittels Energieumwandlung den Planeten wieder bewohnbar machen sollen, vor Außerirdischen schützen. Als Jack bei einem seiner Erkundungsflüge die junge Julia (Olga Kurylenko) vor den Abwehrdrohnen seines Unternehmens rettet, gären Zweifel in ihm. Gibt es doch noch Menschen auf der Erde? Und warum wollten die Drohnen Julia liquidieren?

„Oblivion“ beruht auf der gleichnamigen Graphic Novel von Regisseur und Autor Joseph Kosinski. Dass er seine enorme Vorstellungskraft in optisch stilsichere Szenerien umsetzen kann, bewies er 2010 mit seinem Kinodebüt „Tron: Legacy“. Auch „Oblivion“ beeindruckt mit passgenauer Bildsprache. Jack und Victoria leben gefangen in einem antiseptischen Wohntraum, dessen Komfort das Leben in der Isolation erträglich machen soll. Bei Victoria funktioniert die Manipulation. Jack hingegen ist schon länger klar, dass ihn der Luxus ruhigstellen soll.

In einem entlegenen Tal, in dem die Natur das Ödland der Apokalypse wieder begrünt hat, hat er sich eine Holzhütte mit Ölgenerator gebaut. Hierhin zieht er sich manchmal für ein paar Stunden zurück, liest Bücher oder hört Platten, die er bei seinen Flügen durch das, was einmal New York City war, gefunden hat. Led Zeppelins „Ramble On“ schallt durch das Tal, ein Song über die Vergänglichkeit des Moments. Kosinski versteht es gut, stimmiges Gefühlskino zu entwerfen.

Was er nicht versteht, und das war auch schon bei „Tron: Legacy“ das Problem, ist das große Ganze. Die Ausgangsstory: interessant. Die Optik: einnehmend. Selbst die Action: auf den Punkt inszeniert. Nur wenn man darüber nachdenkt, was er mit seiner Parabel eigentlich sagen will und wie er sie in einem langgezogenen Finale gipfeln lässt, merkt man, wie wenig Substanz hinter der schmucken Fassade steckt.

Es sind die klassischen philosophischen Themen, die Kosinski großspurig anreißt: Existenz, Überlebenstrieb, Solidarität, Sinn. Doch am Ende, wenn Cruise, einen markigen Fluch auf den Lippen, seinem Schöpfer gegenübertritt, fällt alles in sich zusammen, weil klar wird, dass es Kosinski nur um Schauwerte und Ästhetik geht, in die man sich sein eigenes Weltbild hineinzimmern kann, sofern man das überhaupt will. Action-Kino als beliebige Philosophieschablone. Da klingt selbst der markerschütternde Knall am Ende nur noch wie ein sanft verdampfendes „Puff“.