"Vielleicht lieber morgen": Die Party der Außenseiter
Emma Watson und Logan Lerman kommen in „Vielleicht lieber morgen“ dem Erwachsenwerden auf Umwegen näher.
Mit dem festen Willen, sein Leben zu verändern, beginnt Charlie (Logan Lerman) den ersten Tag an der High-School. Die ganzen Sommerferien hat er nur zu Hause verbracht, nachdem sein bester Freund sich das Leben genommen hatte.
Charlie ist ruhig, sensibel, intelligent und er liebt Literatur — Eigenschaften, die ihn in der Schulhierarchie sofort zum Außenseiter werden lassen und die Hoffnung auf den ersehnten Neuanfang zerstören. Aber dann lernt er Patrick (Ezra Miller) und dessen Stiefschwester Sam (Emma Watson) kennen, die im Jahrgang über ihm sind und Charlie als Vertriebenen vom Terror der Normalität erkennen.
„Willkommen am Stand mit den Mängelexemplaren“, sagt Sam zu ihm. Nicht so zu sein, wie alle anderen — das ist für die beiden keine Schande, sondern eine Auszeichnung, und sie nehmen den schüchternen Neuling mit in eine Welt jenseits der Konformität der 90er Jahre. Plötzlich findet sich Charlie auf exzentrischen Partys wieder, isst seine ersten Haschisch-Kekse, spinnt und philosophiert mit seinen neuen Freunden herum und tritt sogar als Playbacksänger in der „Rocky Horror Picture Show“ auf.
Natürlich verliebt er sich in Sam, auch wenn die schon einen Lover hat und Charlie nur als echten Freund gewinnen will.
Stephen Chboskys „Vielleicht lieber morgen“ erzählt von einer einfachen Wahrheit des Jugenddaseins: Zu sich selbst kann man nur mit guten Freunden finden. Mit seinem introvertierten Helden als Zentralfigur zeigt der Regisseur, der hier seinen eigenen Erfolgsroman „Das also ist mein Leben“ verfilmt, dass den Außenseitern die Welt gehört, wenn sie sich gemeinsam neben dem Mainstream ausprobieren.
„Wir sind unendlich“ heißt es am Schluss, und die schlichte Poesie dieses Satzes, umschreibt auch den offenen Geist des Filmes. „Vielleicht lieber morgen“ gelingt das, was viele Coming-of-Age-Filme vergeblich versuchen: den schmerzend wohligen Schwebezustand der Adoleszenz einzufangen, in dem Aufbruchstimmung und Melancholie ganz dicht beieinander liegen und die Liebe mit all ihren Vergeblichkeiten neu erkundet wird.
Besonders gelungen ist dabei die zarte Lovestory, in der die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe fließend bleiben.
Dass hinter Charlies Schüchternheit verdrängte, traumatische Erfahrungen stecken, gibt der Geschichte die notwendige emotionale Erdung, die über einen bloßen Jugendwohlfühlfilm hinausgeht. Hervorragend auch die Schauspieler: Logan Lerman („Die drei Musketiere“) überzeugt als Mauerblümchen, das sich nur langsam vom Beobachter zum Beteiligten entwickelt. Ezra Miller erweitert nach seiner Rolle als Schulattentäter in „We need to talk about Kevin“ sein darstellerisches Spektrum, und Emma Watson leuchtet förmlich in diesem Film, der ihr die Chance gibt, sich aus dem Harry-Potter-Universum zu lösen und als vielversprechende Nachwuchsschauspielerin zu etablieren.