Wortmanns Deutschlandfilm: Sommermärchen etwas anders

München (dpa) - Was kommt dabei heraus, wenn tausende Menschen kleine Filmchen drehen? Jede Menge Katzenvideos, Alltagsgeschichten oder gar aufgeregte Wutbürger? Ja, alles drin in Sönke Wortmanns neuem Film „Deutschland.

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Dein Selbstporträt“.

10 000 Videos hat der Filmemacher auf den Aufruf hin erhalten, am 20. Juni 2015 Szenen aus dem Leben zu schicken. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer, bisweilen skurriler und oft anrührender Streifzug durch die Befindlichkeiten des Landes. Wortmann ist deshalb optimistisch, was die Zukunft der Deutschen anbelangt, trotz Erscheinungen wie Pegida.

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber ich glaube, dass die Richtung insgesamt eine gute ist“, sagte der 56-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur auf dem Filmfest München.

Frage: Viele Beiträge sind überraschend ehrlich und teilweise sehr emotional. Eine junge Frau verzweifelt, weil sie bankrott ist. Eine andere erzählt von ihrer schweren Krankheit. Wie war es für Sie, das alles zu sehen?

Antwort: Mich hat diese Ehrlichkeit gefreut. Das macht nicht jeder, die Hose runterzulassen und zu erzählen. Natürlich kommen alle Nuancen, alle Meinungen vor. Aber ich hatte das Gefühl, dass vielen bewusst ist, wie viel Glück sie haben, weil sie hier leben und nicht in einem Land, dem es wirtschaftlich und gesellschaftlich wesentlich schlechter geht.

Frage: 2006 haben Sie den Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“ gedreht. Sie haben das Befinden im Land erhoben, das im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland getragen war von einer großen Euphorie. Wie erleben Sie die Deutschen zehn Jahre später?

Antwort: Das Land hat nach 2006 sicher Fortschritte gemacht hat. Ich glaube schon, dass wir insgesamt ein bisschen netter geworden sind und ein bisschen gelassener. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber ich glaube, dass die Richtung insgesamt eine gute ist.

Frage: Ist von der Euphorie von damals noch etwas übrig?

Antwort: Ich denke schon. Dieses Land war damals überrascht von sich selbst. Wie lustig wir sein können und wie gastfreundlich. Daran hat sich das Land berauscht, und natürlich behält man etwas davon. Das fällt ja nicht zurück ins Gegenteil zehn Jahre später.

Frage: Wie empfinden Sie persönlich Deutschland?

Antwort: Ich reise beruflich sehr viel. Immer, wenn ich dann nach Deutschland zurückkomme, merke ich, dass es dem Land insgesamt gut geht. Eine demokratisch gewählte Regierung hat auch nicht jeder.

Frage: Ganz kurz kommt auch eine Pegida-Kundgebung vor mit einer Gegendemo. Und ein Teilnehmer äußert Bedenken, wie es mit Deutschland angesichts der Flüchtlinge weitergehen wird. Haben Sie viele Einsendungen erhalten, die nach rechts tendieren?

Antwort: Da waren schon einige darunter. Es wurde zwar nicht offen nazimäßig argumentiert. Aber man sieht schon die Vorurteile, die es immer schon gab. Und ein bisschen mehr traut man sich das jetzt schon. Aber das ist auch ein Teil unseres Landes, und deswegen musste das auch in den Film.

Frage: Deutschland ist momentan in mancher Hinsicht ein zerrissenes Land, etwa im Hinblick auf die Diskussion um den Umgang mit Menschen, die bei uns Asyl suchen wollen. Welche Rolle spielt da so ein Film über die Befindlichkeiten der Deutschen?

Antwort: So ein Film kann immer ein Diskussionsbeitrag sein, allein indem man zeigt, wie es ist. Man kann dazu eine Haltung erwerben oder überdenken. Ich fände es spannend, alle fünf Jahre so einen Film zu machen. Um dann zu sehen, wie so eine Entwicklung stattfindet. Vielleicht gibt es Pegida dann nicht mehr, vielleicht ist die AfD wieder unter zwei Prozent, vielleicht haben sie zwanzig.

Frage: Es gibt im Film viele sehr skurrile Beiträge, viel Situationskomik. Dafür allerdings sehr wenige Katzenvideos. Haben Sie so wenige davon erhalten?

Antwort: Es gab natürlich unzählige Katzen- und auch Hundevideos. Im Film ist wohl auch das eine oder andere Tier drin, aber es bleibt überschaubar.

Frage: Was ist Ihre Lieblingsszene?

Antwort: Ich habe keine Lieblingsszene. Aber es gibt einen Menschenschlag, der mir gut gefällt. Wer zum Beispiel sehr krank ist und mit seinem Schicksal gut umgeht, der imponiert mir. Da sind einige im Film, die sich ihren Lebensmut nicht nehmen lassen und sagen: Ich schaff das. Ich krieg das alles hin.

ZUR PERSON: Sönke Wortmann ist bekannt für Filme wie „Der bewegte Mann“, „Das Wunder von Bern“ und „Frau Müller muss weg“. Besonders beliebt bei den Kinozuschauern: Die Dokumentation „Deutschland. Ein Sommermärchen“, für die er 2006 die deutsche Nationalmannschaft während der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land begleitet hatte. Dafür bekam er auch zahlreiche Preise, etwa den Grimme-Preis oder den Preis der Deutschen Filmkritik.