"Zerrissene Umarmungen": Das Glück im Moment des Todes

Almodóvars „Zerrissene Umarmungen“ mit Penélope Cruz.

Harry Caine (Lluis Homar) ist ein blinder Schriftsteller, der sich in der Dunkelheit eingerichtet hat. Mit Hilfe seiner Mitarbeiterin Judit managt er seinen Alltag. Eigentlich hieß er Mateo Blanco und führte Regie bei Filmen, doch das ist lange her. Wie es genau geschah, dass aus Mateo Blanco der Autor Harry Caine wurde, das erzählt Pedro Almodóvar in Rückblenden.

Er springt zwölf Jahre zurück in die 90er Jahre. Zu Lena, der Sekretärin, von Penélope Cruz als Mädchen mit Ambitionen für Größeres gespielt. Eine Affäre mit ihrem viel älteren Chef (Jose Luis Gomez) bringt ihr den gewünschten Lebensstil und erfüllt ihr den Wunsch, Schauspielerin zu werden. Denn der Industrielle finanziert einen Film von Mateo, der "Mädchen und Koffer" heißt und stark an Almodóvars "Frauen am Rande eines Nervenzusammenbruchs" erinnert.

Mateo und seine neue Hauptdarstellerin Lena verlieben sich am Set ineinander. Heimlich natürlich, denn ihre Liebe gefährdet den Film, wenn der Industrielle den Geldhahn abdrehen würde. Doch da der Alte misstrauisch ist, schickt er seinen Sohn ans Set, um ein Making of zu drehen und Mateo und Lena nachzuspionieren. Die Szenen, in denen sich der alte Hahnrei das heimlich aufgenommene Liebesgeflüster mit Hilfe eine Lippenleserin übersetzen lässt, gehören zu den witzigsten Szenen des neuen Films des spanischen Regisseurs.

Schein und Sein: Das Motiv des Doppelgängers zieht sich durch "Zerbrochene Umarmungen". In seinem 17. Film mischt Almodóvar wieder die Genres, vermengt Melodram mit Komödie, Film Noir mit einem Schuss Tragödie. Nur dass der Mix diesmal nicht wirklich zündet. Man folgt dem kunstvoll verschachtelten Erzählebenen zwar aufmerksam und mit Sympathie, das Schicksal der Figuren lässt einen trotz aller Poesie und (überzogenen) Emotionen aber merkwürdig unberührt.

Dass es auf Teneriffa, wohin sich die heimlich Liebenden zurückgezogen hatten, einen Unfall gab, wird relativ bald schon klar. Alle Hintergründe decken sich aber erst ganz am Ende auf. Wie bei einer Schnitzeljagd bekommt der Zuschauer neue Bröckchen hingeworfen, die er zusammensetzen muss - wie das letzte Foto von Mateo und Lena, das sie eng umschlungen auf einem Sofa zeigt und das jemand in tausend Schnipsel zerrissen hat.

Penélope Cruz ist wie in "Volver" das leuchtende Zentrum von Almodóvars Film. Sie strahlt Unschuld und Lebenslust, aber auch eine Melancholie aus, der man sich kaum entziehen kann. Einmal liegt Lena mit Mateo vor dem Fernseher. Dort sieht man eine Szene aus Rossellinis "Viaggio in Italia", in der Ingrid Bergman und George Sanders nach Pompeji fahren und zusehen, wie ein Paar ausgegraben wird, das eng umschlungen im Ascheregen starb. Ein Foto soll auch Mateo und Lena in einer Umarmung unsterblich machen. Aber kann man das Glück im Moment des Todes festhalten?