Krefelder Becher-Schule Kölner Dom im Focus von Volker Döhne

Der Krefelder Becher-Schüler präsentiert ein Buch mit der Kathedrale im Hintergrund.

Foto: H. Meister/V. Döhne

Köln. Der Krefelder Fotograf, Fotokünstler und Textgestalter Volker Döhne (64) legt ein Buch mit dem doppeldeutigen Titel „Köln am Dom“ vor. Die pensionierte Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die früher eher mit historischen Steinen als mit Fotos zu tun hatte, ist hell begeistert. Bei der Vorstellung des Buchs am Dienstag im Domkloster direkt gegenüber der Kathedrale fand sie seine Ergebnisse „überraschend und verblüffend“. Sie verstieg sich gar in den Vergleich mit den Werken des konkreten Malers Piet Mondrian, der seine Bilder baut. Döhne freute sich natürlich über so viel Ehre, aber er setzte sein bekanntes, leicht süffisantes Lächeln auf.

Foto: H. Meister/V. Döhne

Die ehemalige Dombaumeisterin wie die Kölner Journalisten-Kollegen sehen in den Fotos des frühen Becher-Schülers nur das Porträt der Stadt, das sich seit Entstehen der Bilder im Jahr 1996 gravierend geändert hat. Sie bemerken nur das, was sie ärgert. Schock-Werner schreibt im Vorwort des Buches von der brutalen Architektur der Moderne, die sich zwischen der Kirche und der einst kleinteiligen Wohnstruktur breitmacht. Es seien öde Parkflächen, trostlose Orte, schäbige Werkstatteinfahrten, sinnlos herumstehende Betonblumenkübel, Schuttmulden, Bauzäune und Container. Aber dem Fotokünstler geht es gar nicht um den Beweis, was aus der Umgebung des Doms im Laufe der Jahrzehnte geworden ist. Seine Bilder üben keine Kritik. Sie nehmen sich auf beispielhafte Weise zurück.

Döhnes Biografie ist bezeichnend. Er hat mit einer Schriftsetzerlehre beim „Remscheider General-Anzeiger“ begonnen. Heute sagt er: „Ich bin über die Reproduktion überhaupt erst zur Produktion und damit zur Fotografie gekommen.“1976 startete er seine eigentliche Ausbildung bei Bernd Becher.

Seine Karriere ist insofern bescheiden, als er mit seinen Kommilitonen Andreas Gursky, Thomas Struth und Thomas Ruff nicht mithalten kann. Er nennt zwei Gründe, warum dies so ist: „Ich bin finanziell nicht so ausgerüstet. Ich beziehe ein Gehalt von der Stadt Krefeld und bin nicht in Galerien vertreten.“ Seine zweite Antwort irritiert und wäre in der heutigen Zeit kaum noch denkbar. Er sagt: „Meine Eltern waren strikt dagegen, dass ich ein freischaffender Künstler werde. Als in Krefeld eine Stelle als Fotograf und Gestalter offen war, habe ich mich beworben und habe die Stelle bekommen. Das ist jetzt 37 Jahre her.“ Er habe immerhin über 150 Bücher größtenteils fotografiert, gestaltet und mit den Druckereien zusammen auch produziert. „Ich fotografiere, aber den größten Teil des Tages sitze ich am Rechner“, sagt er.

Zum Glück sitzt er aber nicht nur, sondern wandert auch durch die Stadt, auf der Suche nach dem, was er das „orientierte Stadtbild“ nennt. Er sucht den Punkt, wo alle Bilder ihren Focus haben. Sein erstes Buch, 1992, nannte er denn auch „Gesichtspunkte“. Und die daraufhin organisierte Ausstellung im Kaiser Wilhelm Museum trug den Titel „Orientierung“. Mit so einem Titel hätte sich der Kölner Greven Verlag nie zufriedengegeben. So heißt das aktuelle Buch denn auch „Köln am Dom“. Es gilt den Domtürmen, die sich in den verschiedensten Hintergründen verstecken.

Es ist vielleicht das typischste Buch eines Becher-Schülers, klar komponiert, gestochen scharf in den Details und voller dokumentarischer Qualitäten. Aber es steckt auch viel Humor in den Bildern. Zur Schärfe und Klarheit gesellt sich die Lässigkeit in der Auswahl der Motive. Döhne läuft ja nicht nach einem bestimmten Prinzip durch die Stadt. Er macht auch keine Fotoserie. Alle Bilder wirken als Einzelaufnahmen. Insofern ist der Unterschied zu Bernd Becher gravierend.

Das Schönste aber ist, dass Döhne kein Buch über den Kölner Dom herausbringt. Er sagt: „Im Vordergrund steht die Stadt, über die die Menschen allzu gern hinwegsehen. Der Dom ist nur der Hintergrund. Ich habe das Buch gemacht, damit die Leute eine andere Wahrnehmung entwickeln.“

Obwohl er nur seine eigenen Eindrücke wiedergibt, schreibt er zugleich die Situation der Stadt anno 1996 fest. Und betont: „Kein Foto ist manipuliert. Es handelt sich immer auch um Dokumente der Zeit. Aber sie sind ambivalent gemeint.“

Die Kommentare im Buch stammen von der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner und dem Domfotografen Reinhard Matz. Beide Autoren reagieren als Kölner. „Was für eine Stadt. Die Hässlichkeit nimmt einem den Atem“, sagte sie in der Pressekonferenz. Reinhard Matz versteigt sich gar in die These, für mehr als 40 Jahre sei Köln die nahegelegene Großstadt neben der kleinen Hauptstadt Bonn gewesen. Aber dann flossen die Bundesmittel vorrangig in die neuen Bundesländer.“

Matz wurmt der geringe Einfallsreichtum der heutigen Bauherren und Architekten. Der Dom stifte keine bauästhetische, sondern höchstens eine lokale Orientierung. Beide Autoren vergessen, dass Döhne vor allem an die Beobachtungsgabe der Betrachter appelliert, die normalerweise durch die Stadt laufen und nichts sehen.

Döhne schmunzelt und freut sich aufs nächste Jahr. Am 11. September geht er in Rente. Am 15. November eröffnet er seine zweite museale Einzelausstellung. Sie findet wie 1992 im Kaiser Wilhelm Museum statt, in denselben Räumen, erste Etage rechts.