Schau in Kassel 2020 Künstler-Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien gestaltet Documenta 15
Kassel. · Das indonesische Kollektiv Ruangrupa mit einem Kern aus zehn Künstlern will und soll die bedeutendste Schau für zeitgenössische Kunst nach einem Krisenjahr wieder näher zu den Menschen bringen.
Sie sind jung, lachen viel, machen Selfies und wollen alles erst mal auf sich zu kommen lassen. Die Kuratoren der kommenden Documenta sind eine Abkehr von der etablierten Kunstwelt mit ihren Hierarchien und individualistischen Künstlerpersönlichkeiten. Das indonesische Kollektiv Ruangrupa mit einem Kern aus zehn Künstlern will und soll die bedeutendste Schau für zeitgenössische Kunst nach einem Krisenjahr wieder näher zu den Menschen bringen. Und in der 15. Ausgabe vom 18. Juni bis 25. September 2022 dann explizit auch Leute ansprechen, die sich im Alltag nicht für Kunst interessieren.
Journalisten, Architekten und Videokünstler sind dabei
„Wir ernennen Ruangrupa, weil sie nachweislich in der Lage sind, vielfältige Zielgruppen – auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen – anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern“, heißt es in der Begründung der Findungskommission. Ruangrupa könne aus dem Indonesischen mit „Raum der Kunst“ oder „Raum-Form“ übersetzt werden. Netzwerk, Gemeinschaft und Partizipation sind Schlagworte, die immer wieder im Zusammenhang mit der Gruppe fallen. Insgesamt gehören zu dem Kollektiv rund 80 Menschen – von Journalisten über Architekten bis zu Videokünstlern.
Nach einem Krisenjahr ist allen Verantwortlichen die Freude über den frischen Wind, den die jungen und zugänglichen Künstler bringen, deutlich anzumerken. Die documenta 14 hatte unter der künstlerischen Leitung von Adam Szymczyk vor zwei Jahren ein Defizit von 7,6 Millionen Euro erwirtschaftet und war darüber in eine Krise gestürzt. Auch künstlerisch wurde das Konzept des Kurators mit seinen Standorten in Kassel und Athen unter anderem als zu didaktisch und schwer verständlich kritisiert. Nun müsse man endlich nicht mehr über Organisatorisches diskutieren, sondern könne den Blick auf das wirklich Wahre, die Freude an der Auseinandersetzung mit Kunst, richten, freute sich am Freitag Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle. „Wir haben in den letzten anderthalb Jahren keine leichte Zeit hinter uns.“
Der Ansatz der neuen Kuratoren ist in Zeiten, in denen bewährte Strategien keine Antwort mehr auf die zahlreichen sozialen wie Umweltprobleme geben, gesellschaftsverändernd: Sie wollen einen neuen Blick auf die Welt bieten und ein gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch bei Ideen und Wissen – entwickeln. Man wolle mit der documenta 15 das Augenmerk auf die heutigen Verletzungen richten, sagten die Künstler Farid Rakun und Ade Darmawan bei ihrer Präsentation. „Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalischen Strukturen haben.“ Dem wolle man partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen. Auch bei ihrer eigenen Arbeit geht es ihnen mehr um Verbindung statt Selbstverwirklichung.
Das hat die Findungskommission nach einem langem Auswahlprozess überzeugt: „In einer Zeit, in der innovative Kraft insbesondere von unabhängigen, gemeinschaftlich agierenden Organisationen ausgeht, erscheint es folgerichtig, diesem kollektiven Ansatz mit der documenta eine Plattform zu bieten“, heißt es in der Begründung.